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S. Kinzel: Zur Antinomie der Strafzwecke

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Die Dissertation untersucht die mögliche Auflösung einander widersprechender Gründe (Antinomie) von Strafzumessung und Strafzweck. Die Bildung einer Strafe ist auf zwei Ebenen jeweils dreigliedrig. Auf der ersten Ebene wird zunächst der gesetzliche Strafrahmen bestimmt, innerhalb dessen die Strafhöhe bemessen wird, zu der Strafzumessungserwägungen im weiteren Sinne angestellt werden, z. B. bei der Festsetzung einer kurzfristigen Freiheitsstrafe anstelle von Geldstrafe oder bei der Bildung einer Gesamtstrafe. Auf der zweiten Ebene wird die Strafe an den Strafzwecken gemessen, nämlich dem Ausgleich der Tatschuld1 sowie der Spezial- und der Generalprävention. In jeder der drei Phasen der Strafzumessung können sich nach der Ausgangsfrage des Autors Fälle ergeben, in denen ein Strafzweck im Widerspruch zum Strafmaß der ersten Ebene steht. Zu jedem der drei Elemente der Zumessung soll daher im Fall eines solchen Widerspruchs der Vorrang eines Strafzwecks definiert werden. Tatschuldausgleich, Spezial- und Generalprävention sind in eine Rangfolge zu ordnen, die mit der gesetzlichen Konzeption der Strafe vereinbar ist. Damit soll zur Rationalität im Vorgang der Strafzumessung beigetragen werden.

Die Ergebnisse lassen sich thesenartig so zusammenfassen:
1. Präventive Bedürfnisse haben bei der Bemessung des Strafrahmens keinen Platz, da insoweit der Gesetzgeber die Bewertung von Unrecht und Schuld im Tatbestand der jeweiligen Norm zum Ausdruck bringt.
2. Die Strafzumessung im weiteren Sinne – etwa bei der Frage „kurzfristige Freiheitsstrafe oder Geldstrafe“ – ist durch den Gesetzgeber weitgehend umrissen, sodass für präventive Kriterien kein Raum ist.
3. Der durch die Schuld bestimmte Strafrahmen darf aus präventiven Erwägungen nicht über- oder unterschritten werden.
4. Die Strafe ist innerhalb des gesetzlichen Rahmens mit dem der Zumessung im weiteren Sinne zustehenden Spielraum verbindlich am unteren Ende anzusiedeln.

Zusammengefasst: Wenn das Gericht zu der Auffassung gelangt, dass eine Beeinflussung künftigen Verhaltens des Verurteilten durch die Strafe generell möglich ist, reicht ihre Festsetzung – und deren Vollzug – im unteren Bereich aus. Die Arbeit darf insoweit als Plädoyer gegen rechtspolitische wie gesetzgeberische Glaubensbekenntnisse der Straferhöhung nach dem Grundsatz „Viel hilft viel“ verstanden werden. Keine leichte – aber nützliche – Kost für Schöffen; Adressaten sind aber ohnehin Gesetzgeber und höchstrichterliche Rechtsprechung. Der Arbeit ist zu wünschen, dass beide von ihren Ergebnissen Kenntnis nehmen. (hl)


  1. Tatschuld ist nach der Rechtsprechung des BVerfG die aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) entspringende Auffassung vom Wesen der Strafe sowie das Verhältnis von Schuld und Sühne, vgl. Beschluss vom 24.10.1996, Az.: 2 BvR 1851/94 u. a., Rn. 157. [Abruf: 20.12.2024]. ↩︎

Zitiervorschlag: Hasso Lieber, S. Kinzel: Zur Antinomie der Strafzwecke [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 4, S. 173-174.

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