A. Lehmann: Mittelbare Täterschaft durch Versetzen in einen Motivirrtum
Alexander Lehmann: Mittelbare Täterschaft durch Versetzen in einen Motivirrtum. Die Rechtsfigur des Täters hinter dem Täter im Bereich der Irrtumsherrschaft. Berlin: Duncker & Humblot 2022. 345 S. (Strafrechtliche Abhandlungen; N. F., Bd. 303) Print-Ausg.: ISBN 978-3-428-18528-3, € 89,90; E-Book: € 89,90
Bei den Begriffen der Täterschaft und Teilnahme beschäftigt man sich hauptsächlich damit, in welcher Weise jemand bei der Begehung einer Straftat mitgewirkt hat. Unter den Begriff der Täterschaft fallen die Alleintäterschaft, die mittelbare Täterschaft und die Mittäterschaft; zur Teilnahme gehören Anstiftung und Beihilfe. Die Dissertation befasst sich speziell mit der mittelbaren Täterschaft, die als gleichwertige Form der Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB) geregelt ist und von der Anstiftung abzugrenzen ist. Hierbei begeht der Täter die Tat nicht selbst, sondern durch eine andere Person, die die Tat ausführt. Nach einem historischen Abriss, wie sich der Begriff der mittelbaren Täterschaft entwickelt hat, arbeitet der Autor verschiedene Fallgruppen der Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter“ anhand verschiedener Irrtumskonstellationen heraus.
Bei dem klassischen Drei-Personen-Verhältnis veranlasst der mittelbare Täter (Hintermann) den Tatmittler (Vordermann), einen Dritten zu schädigen (sog. Fremdschädigung).
Beispiel (S. 32): Der A möchte seinem Feind B „eins auswischen“. Daher spiegelt er seinem eifersüchtigen Freund C vor, der B habe eine Affäre mit dessen Frau. Wie von A gewollt und vorhergesehen, glaubt ihm der C und verprügelt den B.
Daneben wird auch das Zwei-Personen-Verhältnis in die Untersuchung einbezogen, indem der Hintermann einen Vordermann veranlasst, sich selbst zu schädigen (sog. Selbstschädigung).
Beispiel (S. 21): Arzt A möchte seinen Nebenbuhler B beseitigen und sieht seine Chance gekommen, als dieser in der Praxis erscheint und über starke Kopfschmerzen klagt. Nach einigen Untersuchungen erklärt A dem B wahrheitswidrig, dass er einen Gehirntumor habe und innerhalb kurzer Zeit extrem qualvoll sterben werde. Wie von A gehofft und gewollt, bringt sich B daraufhin um.
Die Beispiele verdeutlichen die Problematik des mittelbaren Täters, der den Tatmittler durch einen Motivirrtum zu einer Selbst- oder Fremdschädigung veranlasst. Beim Drei-Personen-Verhältnis ist sowohl die Strafbarkeit des Tatmittlers, der die Straftat begangen hat und ggf. als „Werkzeug“ benutzt wurde, zu prüfen als auch die Strafbarkeit des Täters hinter dem Täter, welcher die Tat durch Täuschung des Tatmittlers begangen hat und ggf. aufgrund des überlegenen Wissens und Wollens über die Tatherrschaft verfügte. Das Buch ist für Schöffinnen und Schöffen keine leichte Kost. Allerdings veranschaulichen viele Beispielsfälle die Materie, mit der sie sich befassen und die sie verstehen müssen. (us)
Zitiervorschlag: Ursula Sens, A. Lehmann: Mittelbare Täterschaft durch Versetzen in einen Motivirrtum [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 1, S. 51.