R. Romahn: Mord im Milieu
Ralf Romahn: Mord im Milieu. Spektakuläre Kriminalfälle. Berlin: Das Neue Berlin 2022. 223 S. ISBN 978-3-360-02751-1, € 16,00
Der frühere Oberstleutnant bei der Ost-Berliner Volkspolizei erzählt fünf authentische Fälle aus den letzten Jahren der DDR und der Wendezeit, in denen er die Ermittlungen leitete. Der titelgebende – und spektakulärste – Fall ist der grausame Mord an einer jungen polnischen Prostituierten im März 1990. An der Frankfurter Allee ist ein neuer Straßenstrich entstanden; polnische Zuhälter machen der deutschen Konkurrenz das angestammte „Revier“ streitig. Seine Unvorsichtigkeit, Fingerabdrücke zu hinterlassen, führen die Ermittler auf die Spur eines deutschen Zuhälters, der die „Wilderer“ vertreiben wollte. Mit eiskalter Brutalität und fast geschäftsmäßig schildert dieser die Tat, die nur „Klarheit auf dem Markt“ schaffen sollte. – Einfacher Diebstahl oder gezielter Kunstraub? Diese Frage beschäftigt den Dienststellenleiter, als er den Autor in mögliche Hintergründe eines Diebstahls von Silbergeschirr einweist. Ein Mann war „im Suff“ durch die offene Ladeluke in den Keller einer Kneipe eingestiegen. Dabei hat er auch einen „Holzkopp“ – wie der Wirt ihn bezeichnet – mitgehen lassen, mit dem einst ein Künstler seine Rechnung beglichen hat. Der Täter ist schnell gefasst. Bei Begutachtung des Diebesgutes entpuppt sich das angebliche Silber als wertloses Metall, die Holzskulptur hingegen als wertvolle Kunst, sodass die eingangs gestellte Frage aufgeworfen wird. – Einem deutlich erhöhten Stromverbrauch geht ein Abschnittsbevollmächtigter (ABV) nach und entdeckt dabei eine Geldfälscher-Werkstatt samt Maschinen, Druckplatten und Papier, aus gestohlenen Ersatzteilen einiger Druckereien entwendet und zusammengesetzt. Die Banknoten aus der Südsee waren täuschend echt – und vor allem unbekannt –, sodass sie anstandslos in D-Mark oder Dollar getauscht wurden. Eine Leistung, auf die der Fälscher noch bei seiner Vernehmung als Beschuldigter unverhohlenen Stolz an den Tag legt. Aus der Erzählung spürt man noch die Verwunderung des damals vernehmenden Autors. – Immer wieder spiegelt sich der politische Alltag in den Fällen wider. Kein Kriminalfall, sondern ein politisches Problem, stellen im Frühsommer 1988 die Autokonvois in der Nähe der Ständigen Vertretung dar. Farbige Stoffbändchen an den Autoantennen kennzeichnen den jeweiligen Stand eines gestellten Ausreiseantrags. Ein Trick hält die lästigen „Fähnchenfahrer“ von weiteren Protestaktionen ab. Manchmal hat pfiffig eingesetzte Routine mehr „Erfolg“ als Repression. Mit viel – manchmal sehr viel – Liebe zum Detail schildert Romahn den kriminalistischen Alltag, der so viel mehr enthält als nur den bloßen Kriminalfall. Die rekonstruierten Fälle sind unterhaltsam und unaufgeregt geschrieben; Hintergrundinformationen unterstreichen ihre Authentizität als Zeitzeugnis. (us)
Zitiervorschlag: Ursula Sens, R. Romahn: Mord im Milieu [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 1 (2023) Ausg. 2, S. 90-91.