M. Haberman: Täuschung
Maggie Haberman: Täuschung. Der Aufstieg Donald Trumps und der Untergang Amerikas. Aus dem amerikanischen Englisch von Christiane Bernhardt u. a. München: Siedler 2022. 830 S. ISBN 978-3-8275-0164-6, € 36,00
Der Titel der Trump-Biografie von Maggie Haberman suggeriert, dass mit dem Aufstieg Donald Trumps der Untergang Amerikas verbunden ist. Das ist natürlich nicht der Fall. Das Buch beschäftigt sich auch nicht mit der Lage Amerikas mit der Ausnahme: Sturm auf das Kapitol am 6.1.2021, sondern ausschließlich mit Trump, seinen Macken und Sonderheiten. Ob er auch irgendwelche Vorzüge, Fähigkeiten oder Talente hat, wird nicht erörtert. Vielleicht hat er ja keine. Auf 726 Seiten Text und 79 Seiten Anmerkungen wird das Leben „unseres Helden“ von Elternhaus und Geburt bis zum Ende seiner Präsidentschaft besprochen. Das geschieht in der Schilderung hunderter Episoden, gewürzt mit Anekdoten. Dabei wird das Bild eines Menschen gezeichnet, der nirgendwo sympathisch, sondern übergriffig, unerzogen und beleidigend ist. Drei Dinge beherrschen sein Leben: Macht, Geld und Glamour. Es wird das Bild eines Menschen und Politikers gezeichnet, der nur auf Ruhm und öffentliche Anerkennung bedacht ist. Aber das stimmt nicht ganz. Während seiner Amtszeit wuchs die Wirtschaft, wurde die Migration eingegrenzt, wurden die Steuern gesenkt und der Abzug aus Afghanistan vorbereitet. Gleichgültig, ob man diese Maßnahmen richtig oder falsch findet, es wurden politische Inhalte realisiert.
Das Singuläre an diesem Präsidenten ist der Verbrauch von Mitarbeitern. Er hat sie im Monatstakt, manchmal innerhalb weniger Tage rausgeworfen oder ausgetauscht, meistens nicht wegen politischer Meinungsverschiedenheiten, sondern weil sie ihm einfach nicht gefielen, sein öffentliches Ansehen nicht mehrten oder ihr Aussehen ihm nicht gefiel. Er liebte es, Personen in seiner Umgebung vor anderen herabzusetzen oder lächerlich zu machen. Für Retourkutschen ist er nicht empfänglich. Trotzdem sind führende Mitarbeiter immer wieder zurückgekehrt. Vielleicht doch Charisma?
Trotz wirtschaftlicher Erfolge oder Misserfolge in seinen Unternehmen bleibt unklar, ob Trump wirklich vermögend ist oder allenthalben der Konkurs droht. Auch seine Geschäfte schillern. In diesem Buch kann man sie nicht greifen. Was man allerdings überdeutlich sieht: Auf all seinen Gebäuden steht TRUMP in goldenen Lettern. Leider sind sie nur vergoldet wie seine Wohnungen, Clubs und nicht zuletzt sein Haar.
Ausgenommen von dieser rüpeligen Verhaltensweise ist offenbar nur seine Familie. Zu der steht er in Treue fest, sieht man von den verlassenen Ehefrauen ab. Das führt zu einem gewissen Nepotismus bei der Einstellung von Verwandten im Weißen Haus.
Für seinen Aufstieg in der Politik waren seine Auftritte in der Fernsehserie „The Apprentice“ von entscheidender Bedeutung. Über 80 % der Amerikaner kannten ihn. Die dort von ihm angewandte Methode im Umgang mit Untergebenen „You are fired“ galt auch im Weißen Haus.
Was macht Trump, wenn er nicht vorgibt zu regieren? Er sieht fern oder spielt Golf. Was macht er, wenn er regiert? Er hört seinen Beratern nicht zu und beschäftigt sich nicht mit den Problemen. „Das weiß ich alles, das brauchen sie mir nicht zu erzählen.“ Alles, was er tut und sagt, ist richtig. Irrtum ausgeschlossen. Er erklärt seinen Leuten: „Wisst ihr, warum es einem Präsidenten angemessen ist? Weil ich der Präsident bin.“ Dieses tautologische Selbstbewusstsein zieht sich durch alles, was er tut und sagt, als roter Faden. Ein besonderer Charakterzug ist Trumps Begeisterung für autoritäre Herrscher und Diktatoren, z. B. Putin, Erdogan und Kim Jong Un. Den Briefwechsel mit Letzterem hat er bei seinem Auszug aus dem Weißen Haus im Original mit nach Florida genommen.
Wer ist Donald Trump, welche Werte vertritt er, was ist der Inhalt seiner Politik? Wir wissen es nicht, auch nicht nach der Lektüre dieser Biografie. Das weiß Maggie Haberman auch selbst: „Die Wahrheit ist, dass ihn letztlich fast niemand kennt … er ist oft schlichtweg undurchschaubar.“ Muss man für diese Erkenntnis über 700 Seiten lesen? Ja! Sie sind jederzeit informativ und unterhaltsam, sie sind wie ihr Gegenstand ohne tieferen Sinn, stets an der Oberfläche und nur die kann man sehen.
Wolf Burkhard Wenkel, Berlin
Zitiervorschlag: Wolf Burkhard Wenkel, M. Haberman: Täuschung [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 1 (2023) Ausg. 2, S. 90.