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OVG Hamburg: Amtsentbindung eines ehrenamtlichen Richters

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Ein ehrenamtlicher Richter, der die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrscht, ist von seinem Amt zu entbinden. Ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache setzt voraus, dass der ehrenamtliche Richter über Sprachkenntnisse verfügt, die ihn in die Lage versetzen, sowohl dem Verhandlungsgeschehen zu folgen – also das gesprochene Wort (passiv) zu verstehen – als auch den eigenen Standpunkt insbesondere bei der Urteilsberatung (aktiv) einbringen zu können.

Sachverhalt: Nachdem er zum ehrenamtlichen Richter beim VG Hamburg gewählt worden war, wies H. mit einer in englischer Sprache verfassten E-Mail darauf hin, dass er lediglich über schwache Deutschkenntnisse verfüge. Der Präsidialrichter des VG hörte ihn persönlich an und gelangte zu der Einschätzung, dass zwar ein gewisses Hörverständnis der deutschen Sprache vorhanden sei, es H. aber erkennbar sehr schwerfalle, Deutsch zu sprechen. Der Präsident des VG beantragt, den ehrenamtlichen Richter von seinem Amt zu entbinden.

Gründe: Die ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache wird in § 20 VwGO als Voraussetzung für die Berufung in das Amt eines ehrenamtlichen Richters nicht erwähnt. Die Entbindung kann aber auf § 24 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO gestützt werden, wonach ein ehrenamtlicher Richter vom Amt zu entbinden ist, wenn er die zur Ausübung seines Amtes erforderlichen geistigen oder körperlichen Fähigkeiten nicht besitzt. Entsprechend hat der BGH für das Schöffenamt vor der Einfügung der Sprachkenntnisse in § 33 Nr. 5 GVG argumentiert. Der Verfahrensgrundsatz der Unmittelbarkeit verlange, dass die erkennenden Richter Prozessabläufe akustisch und optisch wahrnehmen, verstehen und sich unmittelbar mit den übrigen Verfahrensbeteiligten in der Gerichtssprache Deutsch (§ 184 Abs. 1 GVG) verständigen können. Hieraus folge, dass sämtliche Richter der deutschen Sprache mächtig sein müssten. Diese Erwägungen sind uneingeschränkt auf den Verwaltungsprozess zu übertragen, der gleichermaßen vom Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit beherrscht wird (§§ 96 Abs. 1, 101 Abs. 1 VwGO). Soweit in der Literatur vertreten wird, dass im Fall eines sprachunkundigen ehrenamtlichen Richters ein Dolmetscher zuzuziehen sei, lässt diese außer Acht, dass ein Dolmetscher nicht zu den Personen gehört, die an der Beratung und Abstimmung teilnehmen dürfen. Auch der Einsatz technischer Hilfsmittel (digitale Übersetzungsprogramme) stellen keine Option dar, da diese nicht die erforderliche hohe Gewähr für die Richtigkeit der Übersetzung bieten. Die als Bestandteil der erforderlichen geistigen Kräfte zu verlangende ausreichende Beherrschung der deutschen Sprache setzt voraus, dass der ehrenamtliche Richter über Sprachkenntnisse verfügt, die ihn in die Lage versetzen, dem Verhandlungsgeschehen zu folgen – also das gesprochene Wort (passiv) zu verstehen – und den eigenen Standpunkt insbesondere bei der Urteilsberatung (aktiv) einzubringen. Damit ist nicht verbunden, das Fachvokabular zu beherrschen. Es müssen aber bessere Kenntnisse vorliegen als zur alltäglichen Konversation gemeinhin erforderlich.


Zitiervorschlag: OVG Hamburg: Amtsentbindung eines ehrenamtlichen Richters, in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 2, S. 80.

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