×

VGH Baden-Württemberg: Amtsentbindung eines ehrenamtlichen Richters

Beitrag als PDF-Version

Ein ehrenamtlicher Richter ist nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 48 ZPO verpflichtet, Tatsachen anzuzeigen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen können durch Mitteilung des maßgeblichen Sachverhalts. Ein Verstoß gegen diese Pflicht kann eine gröbliche Pflichtverletzung nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO darstellen. (Leitsatz d. Red.)

Sachverhalt: Der ehrenamtliche Richter teilte dem Vorsitzenden mit, bei der nächsten Kammersitzung liege ein Befangenheitsgrund vor, benannte jedoch weder konkrete Umstände noch Verfahrensbeteiligte, zu denen die Besorgnis der Befangenheit bestehen sollte. Auch nach Hinweis des Vorsitzenden, dass der ehrenamtliche Richter nicht selbst bestimmen kann, ob er befangen ist, über einen Ausschluss wegen Besorgnis der Befangenheit nur die Kammer entscheidet und die Umstände, die die Besorgnis der Befangenheit begründen sollen, den Verfahrensbeteiligten mit der Gelegenheit zur Stellungnahme bekannt gegeben werden müssen, weigerte sich der ehrenamtliche Richter weiterhin, zum behaupteten Befangenheitsgrund konkrete Angaben zu machen.

Gründe: Der ehrenamtliche Richter ist von seinem Amt gemäß § 24 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 VwGO zu entbinden, da er seine Amtspflichten gröblich verletzt hat. Amtspflichten in diesem Sinne sind Pflichten, die sich auf das richterliche Ehrenamt beziehen und in innerem Zusammenhang stehen. Die Verletzung einer Amtspflicht ist gröblich, wenn der Betreffende den ihm obliegenden Pflichten in schwerwiegender Weise zuwiderhandelt. Den ehrenamtlichen Richter muss an dem Pflichtverstoß ein Verschulden in dem Sinne treffen, dass er sein Fehlverhalten trotz Kenntnis von der konkreten Pflicht fortsetzt, also vorsätzlich handelt oder in ungewöhnlich hohem Maße die erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.

Nach diesem Maßstab liegt hier eine gröbliche Amtspflichtverletzung vor, die zur Entbindung nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO führt. Die an einem Verwaltungsgericht tätigen und entscheidenden Richter sind nach § 54 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 48 ZPO verpflichtet, Tatsachen anzuzeigen, die die Besorgnis der Befangenheit begründen können. Es handelt sich um eine den Beteiligten gegenüber bestehende verfahrensrechtliche Pflicht. Diese haben kraft Verfassung das Recht, nicht vor einen Richter gestellt zu werden, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt. Die Pflicht besteht in der Mitteilung des maßgeblichen Sachverhalts. Daher ist der betreffende Richter verpflichtet, sehr persönliche, ggf. sogar intime Tatsachen offenzulegen, die mit seinem Richteramt und dem Prozessstoff nichts zu tun haben und normalerweise einer geschützten Sphäre angehören. Über den Ausschluss des Richters entscheidet das Gericht ohne dessen Mitwirkung.

Gegen diese Pflicht zur Mitteilung der konkreten Tatsachen hat der ehrenamtliche Richter verstoßen. Der Verstoß ist gröblich im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, da er nach der zutreffenden und verständlichen Mitteilung des Vorsitzenden diese Pflicht kannte, sich jedoch weiterhin weigerte, die fraglichen Umstände konkret zu benennen.

Vor der Entbindung bedarf es keiner vorangehenden Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 33 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Es ist nicht zu erwarten, dass der ehrenamtliche Richter durch ein Ordnungsgeld zu einem zukünftig amtspflichtgemäßen Verhalten angehalten würde. Er hat nach Aufklärung über die Rechtslage und seine Pflichten durch den Vorsitzenden an der Weigerung festgehalten und um Verständnis gebeten, dass er aus Eigen- und Fremdschutz keine Angaben machen wird. In der Anhörung zur möglichen Entbindung hat er per Mail mitgeteilt, es sei seinerseits nicht tolerierbar und nicht verhandelbar, auf Kosten seiner Privatsphäre Details zu einer Bekanntschaft preiszugeben.


Zitiervorschlag: VGH Baden-Württemberg: Amtsentbindung eines ehrenamtlichen Richters, in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 1, S. 45-46.

Über die Autoren

Copyright © 2024 laikos.eu