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BSG: Amtsentbindung einer ehrenamtlichen Richterin

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  1. Ein ehrenamtlicher Richter ist nicht vom Amt zu entbinden, wenn eine Voraussetzung für die Berufung während der Amtszeit entfällt (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGG), es sei denn, die paritätische Besetzung nach § 12 Abs. 2 bis 4 SGG kann anders nicht gewährleistet werden. Er wird seinem bisherigen Kreis weiter zugerechnet, solange er nicht in das „gegnerische“ Lager wechselt.
  2. Von einem Wechsel in das „gegnerische“ Lager ist auszugehen, wenn der ehrenamtliche Richter aus dem Kreis der Arbeitgeber in den Ruhestand getreten ist und danach durch Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung versicherungspflichtig geworden ist.

Sachverhalt: Die ehrenamtliche Richterin ist dem 1. und 2. Senat des BSG aus dem Kreis der Arbeitgeber zugewiesen. Sie war bereits 2021 in den Ruhestand getreten, hat aber nun mitgeteilt, zum 1.6.2023 eine geringfügige Nebentätigkeit aufgenommen zu haben. Diese umfasse Telefondienst, Terminverwaltung und Postbearbeitung in einer Anwaltskanzlei an einem Nachmittag pro Woche. Ihr Denken und Handeln habe sich hierdurch nicht verändert. Sie sei über 40 Jahre als Personalchefin tätig gewesen. Auch nach dem Ausscheiden aus der aktiven Berufstätigkeit seien ihre Ansichten von der Tätigkeit als Arbeitgeber geprägt. In das Lager der Versicherten sei sie allenfalls „auf dem Papier“ gewechselt.

Gründe: Die ehrenamtliche Richterin ist nach § 47 Satz 2 i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 3 und § 17 Abs. 2 bis 4 SGG vom Amt zu entbinden, wenn eine Voraussetzung für die Berufung im Laufe der Amtszeit wegfällt und dadurch eine paritätische Besetzung nach § 12 Abs. 2 bis 4 SGG nicht mehr gewährleistet werden kann. Den „Senaten für Angelegenheiten der Sozialversicherung, der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten aufgrund des § 6a des Bundeskindergeldgesetzes und der Arbeitsförderung“ gehört je ein ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber an. Ehrenamtlicher Richter aus dem Kreis der Versicherten kann sein, wer aufgrund einer Pflicht- oder Selbstversicherung (freiwillig oder weiterversichert) einem Zweig der Sozialversicherung angehört.

Die Zugehörigkeit der ehrenamtlichen Richterin zum Kreis der Arbeitgeber ist mit Eintritt in den Ruhestand weggefallen. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGG ist sie nicht vom Amt zu entbinden, wenn eine Voraussetzung für die Berufung im Laufe der Amtszeit wegfällt, es sei denn, die paritätische Besetzung nach § 12 Abs. 2 bis 4 SGG kann sonst nicht gewährleistet werden. Ein ehrenamtlicher Richter wird dem bisherigen Kreis trotz Wegfalls einer Berufungsvoraussetzung zugerechnet, solange er nicht in das „gegnerische“ Lager wechselt. Die ehrenamtliche Richterin ist durch Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung versicherungspflichtig geworden, unabhängig von der Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung wegen der geringfügigen Beschäftigung oder der Altersgrenze. Die Pflichtversicherung in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 4 SGB VII) ist nicht durch die Versicherungsfreiheit überlagert, sodass die ehrenamtliche Richterin zumindest einem Zweig der Sozialversicherung als Versicherte mit allen Rechten und Pflichten angehört.

Deshalb ist von einem Wechsel in das „gegnerische“ Lager auszugehen. Maßgeblich ist eine formale Betrachtungsweise. Das Fortbestehen vorzüglicher Sachkenntnisse und die weiterhin bestehende Prägung durch jahrzehntelange Tätigkeit als Arbeitgeber haben gegenüber den formalen Kriterien des Wegfalls einer Berufungsvoraussetzung und des Eintritts der Voraussetzung, für das „gegnerische“ Lager als ehrenamtlicher Richter berufen werden zu können, zurückzutreten.


Zitiervorschlag: BSG: Amtsentbindung einer ehrenamtlichen Richterin, in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 1, S. 44-45.

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