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OLG Schleswig: Befangenheit bei Mitgliedschaft im selben Spruchkörper wie eine Partei

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  1. Die Zusammenarbeit von Richtern und Handelsrichtern führt regelmäßig zu persönlichen Beziehungen, die ihre Unbefangenheit in Frage stellen, wenn einer von ihnen selbst als Partei am Rechtsstreit beteiligt ist. Das gilt auch dann, wenn ein Handelsrichter als Organ einer Gesellschaft am Rechtsstreit beteiligt ist.
  2. Die Besorgnis der Befangenheit ist unabhängig davon zu bejahen, ob einzelne der abgelehnten Handelsrichter in der Vergangenheit noch nicht mit dem als Partei an dem Rechtsstreit beteiligten Handelsrichter ein Kollegium gebildet haben. Entscheidend ist die berechtigte Besorgnis der gegnerischen Partei, auch diese Handelsrichter könnten ihr gegenüber nicht unbefangen sein. (Leitsätze d. Red.)

OLG Schleswig, Beschluss vom 6.2.2023 – 16 W 8/23

Sachverhalt: Die Klägerin (Kl.) klagt vor der KfH I des LG, deren Vorsitzender ebenso wie sein Vertreter – der Vorsitzende der KfH II – gemäß § 48 ZPO angezeigt hat, dass die Geschäftsführerin der Kl. Handelsrichterin in diesen Kammern sei. Der weitere Vertreter hat die Parteien darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung die Besorgnis der Befangenheit der Vorsitzenden wie sämtlicher Handelsrichter wegen der Geschäftsführerin der Kl. als Handelsrichterin in beiden Kammern bestehen dürfte. Die Beklagte (B.) hat alle Handelsrichter beider KfH wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, weil sich aus der engen Zusammenarbeit im Kollegialgericht persönliche Beziehungen ergeben (können).

Rechtliche Würdigung: Das Ablehnungsgesuch gegen die Handelsrichter sowie die Selbstablehnungen der beiden Vorsitzenden sind zulässig und begründet. Gemäß § 42 ZPO kann ein Mitglied des Gerichts abgelehnt werden, wenn es vom Standpunkt des Ablehnenden bei besonnener und vernünftiger Betrachtung und Würdigung aller Umstände berechtigten Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit gibt. Nicht erforderlich ist, dass die Abgelehnten tatsächlich befangen sind. Solche Gründe können insbesondere aus einem persönlichen oder geschäftlichen Verhältnis des Abgelehnten zu einer der Parteien und aus einem besonderen Kollegialitätsverhältnis erwachsen.

Die enge Zusammenarbeit in einem Kollegialgericht führt regelmäßig zu einer persönlichen Beziehung zwischen den Mitgliedern, die ihre Unbefangenheit in Frage stellt, wenn einer von ihnen selbst als Partei am Rechtsstreit beteiligt ist. Das gilt auch dann, wenn das Mitglied des Spruchkörpers nicht persönlich, sondern als Organ einer Gesellschaft am Rechtsstreit beteiligt ist. Entscheidend ist die Zugehörigkeit zu demselben Spruchkörper und die daraus erwachsene beiderseitige Aufgabe offener und vertrauensvoller Zusammenarbeit, in der Vergangenheit wie für die Zukunft. Dies steht im Einklang mit der nahezu einhelligen Auffassung der veröffentlichten Rechtsprechung. Die Besorgnis der B., das Verhältnis der Geschäftsführerin der Kl. zu den übrigen Handelsrichtern sowie zu den Vorsitzenden der beiden Kammern für Handelssachen führe möglicherweise zu einer unbewussten Solidarisierung mit negativer Auswirkung auf die Behandlung ihrer Sache, ist anzuerkennen. Dabei ist unerheblich, ob einzelne der Abgelehnten mit der Geschäftsführerin der Kl. noch gar keine gemeinsame Spruchgruppe gebildet haben. Entscheidend ist die nicht auszuräumende berechtigte Besorgnis der B., auch diese könnten ihr gegenüber nicht unbefangen sein.

Link zum Volltext der Entscheidung


Zitiervorschlag: OLG Schleswig: Befangenheit bei Mitgliedschaft im selben Spruchkörper wie eine Partei, in: LAIKOS Journal Online 1 (2023) Ausg. 2, S. 79-80.

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