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LG Arnsberg: Befreiung des Schöffen ohne richterliche Entscheidung

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Fehlt eine Entscheidung des Vorsitzenden über die Heranziehung oder Verhinderung eines Schöffen, handelt es um einen erheblichen Fehler, da das dem Vorsitzenden insoweit zustehende Ermessen nicht ausgeübt wurde. Ein solcher Fehler ist geeignet, eine Besetzungsrüge zu begründen.

LG Arnsberg, Beschluss vom 26.4.2023 – II-2 KLs-412 Js 717/22-4/23

Sachverhalt: Die Verteidigung erhebt Einwände gegen die vorschriftsmäßige Besetzung der Jugendkammer hinsichtlich der Schöffin A. Beginn der Hauptverhandlung war der 18.4.2023. Die Hauptschöffin B teilte am 23.3.2023 mit, wegen einer bereits gebuchten Reise während eines Teils der Hauptverhandlung verhindert zu sein. Am 24.3.2023 veranlasste der Vorsitzende, dass B abgeladen und die nächste Ersatzschöffin geladen wird – die Schöffin C. Diese teilte am 11.4.2023 mit, wegen eines Urlaubs im Ausland verhindert zu sein. Erneut verfügte der Vorsitzende, die Schöffin abzuladen und die nächste Ersatzschöffin zu laden. Die Geschäftsstelle hat sodann die Ersatzschöffin A geladen. An erster Stelle auf der Ersatzschöffenliste befand sich zu diesem Zeitpunkt die Schöffin D. Diese hatte bereits früher ohne konkrete Terminsladung mitgeteilt, zu bestimmten Zeiten verhindert zu sein.

Rechtliche Würdigung: Die Besetzungsrüge ist begründet. Die Kammer ist hinsichtlich der Schöffin A nicht ordnungsgemäß besetzt. Zum Zeitpunkt der Mitteilung der Schöffin C bezüglich ihrer Verhinderung wäre nicht die Schöffin A als nächste auf der Liste zu laden gewesen, sondern die Schöffin D. Die Geschäftsstelle ist aufgrund der früheren Mitteilung der D von deren Verhinderung ausgegangen und hat die nächste auf der Ersatzschöffenliste aufgeführte Schöffin A geladen. Es fehlte jedoch eine richterliche Entscheidung über die Heranziehung bzw. Verhinderung der D. Deren Verhinderung steht nicht ohne Weiteres aufgrund der früheren, ohne Bezug auf ein konkretes Verfahren erfolgten Mitteilung fest, die dem Vorsitzenden zudem nicht bekannt war. Denkbar wäre, dass die früher mitgeteilte Verhinderung inzwischen entfallen war oder die Verhinderung vom Vorsitzenden nicht als ausreichend angesehen worden wäre. Es fehlt eine richterliche Entscheidung über die Frage, ob die D heranzuziehen oder verhindert gewesen wäre. Erst nach einer solchen Entscheidung wäre ggf. die A heranzuziehen. Zwar steht dem Vorsitzenden bei der Entscheidung über die Heranziehung von Schöffen und die Verhinderungsgründe ein Ermessensspielraum zu. Da seine Entscheidung bei D vollständig fehlt, handelt es sich um einen erheblichen Fehler, weil gar kein Ermessen ausgeübt wurde.

Anmerkung: Die Frage wird häufig gestellt, ob es Sinn macht, dem Gericht bereits zu Jahresbeginn die Termine mitzuteilen, an denen man – z. B. urlaubsbedingt – nicht zur Verfügung steht. Die Entscheidung macht deutlich, dass – insbesondere bei Ersatzschöffen – mit Nachfragen gerechnet werden muss, ob die Verhinderung (noch) besteht. Diese Nachfrage darf nicht etwa unbeachtet bleiben, weil die entsprechende Mitteilung bereits früher gemacht worden sei. (hl)


Zitiervorschlag: LG Arnsberg: Befreiung des Schöffen ohne richterliche Entscheidung, in: LAIKOS Journal Online 1 (2023) Ausg. 2, S. 78.

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