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Literaturumschau

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Mobile Arbeitsformen haben aufgrund der Digitalisierung zunehmend Eingang in die Arbeitswelt gefunden. In aller Regel handelt es sich um mobiles Arbeiten, wenn die Tätigkeit außerhalb des Betriebs bzw. der Räumlichkeiten des Arbeitgebers erfolgt. Der Autor erläutert verschiedene Formen wie den Telearbeitsplatz (vom Arbeitgeber ausgestatteter Arbeitsplatz im Privatbereich des Beschäftigten) oder Bring your own device (BYOD, Arbeitsmittel/Geräte gehören dem Beschäftigten) und stellt verschiedene Problemfelder dar, die zum Teil bereits vom Gesetzgeber aufgegriffen wurden. Der Versicherungsschutz im Homeoffice von in Deutschland Beschäftigten erstreckt sich nun auch auf Betriebswege (z. B. Weg zum Drucker, zur Toilette). Die sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen für die dauerhafte Tätigkeit in der EU, einem EWR-Staat oder der Schweiz richten sich grundsätzlich nach dem Zielland. Bei der zeitlich begrenzten oder regelmäßigen mobilen Tätigkeit sind die Regelungen unterschiedlich und hängen auch vom Zeitanteil in Deutschland ab; ggf. liegt eine Entsendung vor. Fraglich beim mobilen Arbeiten sei noch – so der Autor –, inwieweit das allgemeine Arbeitsschutzrecht Anwendung findet (Höchstarbeitszeit, Ruhezeiten, Unterweisung, Gefährdungsbeurteilung) sowie Mutterschutz und Jugendarbeitsschutz. Das Arbeitsstättenrecht sei (bis auf den Telearbeitsplatz) nur anwendbar auf Räumlichkeiten bzw. Bereiche des Arbeitgebers. Die Mitbestimmung des Betriebsrates beschränke sich auf die inhaltliche Ausgestaltung mobilen Arbeitens, z. B. zeitlicher Umfang, Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Anwesenheitspflichten an der Betriebsstätte. Auch wenn Beschäftigte in ihren privaten Räumen arbeiten, seien arbeitsschutzrechtliche Regelungen einzuhalten. Für das Zutrittsrecht des Arbeitgebers müsse eine Einwilligung vorliegen. Es stelle sich auch die Frage, inwieweit Aufsichtsbehörden die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften in den privaten Räumen kontrollieren können. EU- und deutsches Recht sollten eindeutige Regelungen für mobiles Arbeiten schaffen. (us)


Mit der Reform des Sanktionenrechts ist zum 1.10.2023 eine Neufassung zur Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) in Kraft getreten. Voraussetzungen für die Anordnung nach § 64 StGB sind eine rechtswidrige Tat, ein Hang zum Substanzkonsum (Alkohol, Drogen, andere berauschende Mittel) im Übermaß sowie ein zumindest überwiegender Zusammenhang zwischen Tat und Hang und dass die Gefahr weiterer (erheblicher) rechtswidriger Taten und ein positiver Behandlungserfolg prognostiziert werden. Bei der Erläuterung dieser Kriterien legt der Autor seinen Schwerpunkt auf „Verständigungs- und Übersetzungsprozesse“, um Missverständnisse zwischen Sachverständigen und den Beteiligten im Strafverfahren zu vermeiden. Wichtig seien folgende Aspekte: Klarstellung der Diagnose bezüglich der Substanzkonsumstörung, Hinweise zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, sorgfältige Anamneseerhebung bezüglich der Dosissteigerung und deren Motivation sowie der Kontrollierbarkeit des Konsums. Bei der Gefährlichkeitsprognose sei insbesondere zu untersuchen, ob, warum und in welchem Ausmaß die Gefährlichkeit auf den Hang zum Suchtmittelkonsum zurückzuführen ist. Davon sauber zu trennen sei die Prognose über den Behandlungserfolg, bei der die Anforderung bestehe, bereits zum Zeitpunkt der Anordnung eine belastbare Aussage darüber zu treffen, ob das Ziel der Unterbringung erreicht werden kann oder nicht. Hierbei könne der Sachverständige die Faktoren für den Erfolg einer therapeutischen Einwirkung herausarbeiten. Insgesamt enthielten die Neuregelungen nur „wenige inhaltliche Änderungen“ und seien „zaghaft“. Ob dadurch die Bestandszahlen in den Entziehungsanstalten gesenkt werden, könne nur eine Evaluation beantworten. (us)


Im Juni 2023 verabschiedete der Deutsche Bundestag ein Gesetz zur Reform des Sanktionenrechts, das u. a. vorsieht, den Umrechnungsmaßstab der Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitsstrafe zu halbieren, sodass künftig zwei Tagessätze einem Tag Freiheitsstrafe entsprechen (§ 43 StGB). Die Neuregelung sollte ursprünglich zum 1.10.2023 in Kraft treten; aufgrund von IT-Problemen gilt der neue Umrechnungsmaßstab erst für Strafen ab dem 1.2.2024. Die Autorin kritisiert, dass dadurch Personen mehrere Monate länger in Haft sitzen und aufgrund der längeren Vorlaufzeit Ersatzfreiheitstrafen parallel nach dem 1:1- und 2:1-Umrechnungsmaßstab verbüßt werden. Die Reform bleibe deutlich hinter den Erwartungen zurück. An der Inhaftierung von Personen, die eine Geldstrafe nicht bezahlen können und deren gesundheitlicher Zustand keine Ableistung gemeinnütziger Arbeit zulässt, ändere sich nichts. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass die Inhaftierten die Geldstrafe nicht bezahlen wollen. Er ziehe nicht in Erwägung, dass die Ersatzfreiheitsstrafe hauptsächlich diejenigen trifft, die aus einer desolaten Lebenslage heraus Armutsdelikte (z. B. Ladendiebstahl) begehen und zahlungsunfähig sind. Armut sei ein strukturelles Problem; die Mittel der Strafvollstreckung taugten hier nicht. (us)


Die Autorinnen haben in einer umfangreichen Studie untersucht, inwieweit das Demokratieniveau eines Staates mit der Laienbeteiligung in Strafprozessen – Jury-Systeme (mit Geschworenen) oder gemischte Gerichte (mit Berufs- und Laienrichtern) – zusammenhängt. Unter Verwendung einer Liste der Vereinten Nationen mit 193 Mitgliedstaaten unter Einbeziehung von Hongkong und Taiwan sowie eigenen Erhebungen haben sie eine Datenbank entwickelt, um zu analysieren, ob Staaten mit einem höheren Grad an Demokratisierung eher eine Laienbeteiligung im Strafrechtssystem haben als Staaten mit einem geringeren Grad an Demokratisierung. Diesen Zusammenhang zwischen Demokratie und Laienbeteiligung zeigen sie anhand von spezifischen Merkmalen wie richterliche Unabhängigkeit, politische Rechte, bürgerliche Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit, politische Stabilität, Korruption im öffentlichen Sektor auf. Bemerkenswert sei, dass die Beziehungen zwischen Demokratie und Laienbeteiligung am stärksten bei der Institution des Jury-Systems ausgeprägt seien und schwächer in Staaten mit gemischten Gerichten. Dies wird darauf zurückgeführt, dass die Entscheidungen der Jury unabhängig von den Berufsrichtern getroffen werden. Im Gegensatz dazu treffen die Laienrichter in gemischten Gerichten ihre Entscheidungen gemeinsam mit den Berufsrichtern und könnten daher einer Einflussnahme ausgesetzt sein. „While mixed tribunals tend to be very loosely associated with democracy, the jury system seems to be closer to achieving the ideal of a shining beacon of democracy” (Während gemischte Gerichte nur sehr lose mit Demokratie in Verbindung gebracht werden, scheint das Schwurgerichtssystem dem Ideal eines strahlenden Leuchtturms der Demokratie näher zu kommen). (us)


Der Beitrag gibt einen Überblick über den Stand der Digitalisierung in der Sozialgerichtsbarkeit und inwieweit Digitalisierung und Automatisierung als unterstützende Hilfsmittel bereits zum Alltag gehören. Zeitvorgaben dazu machte die eJustice-Gesetzgebung 2013, mit der bundesweit der elektronische Rechtsverkehr eingeführt wurde. Die Neufassung von § 65a SGG regelt seit 2018 den elektronischen Rechtsverkehr mit der Sozialgerichtsbarkeit, sodass auch elektronische Dokumente, die für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sind, eingereicht werden können. Dazu wurden sichere Übermittlungswege geschaffen: elektronisches Anwaltspostfach, Behördenpostfach. Die Gerichtsakten werden ab 1.1.2026 in allen Gerichtsbarkeiten elektronisch geführt. Auch hier ist die Sozialgerichtsbarkeit vorne; ein neuer Absatz 1a in § 65b SGG macht dazu Vorgaben. Der Autor geht ebenso auf Unterstützungsfunktionen ein wie Software zur Berechnung von Prozesskostenhilfe oder Textbausteine für den richterlichen und nicht-richterlichen Dienst. Mit elektronischen Klebezetteln könnten wichtige Dokumente in der Handakte markiert werden; zitierte Entscheidungen können aus dem Dokument in juristischen Datenbanken abgerufen werden. Für nützlich hält der Autor auch eine teilautomatisierte Strukturierung der elektronischen Gerichtsakten oder das Filtern der Akten auf relevante Dokumente. Für KI-Anwendungen eigneten sich, da in der Sozialgerichtsbarkeit keine Massenverfahren zu bearbeiten sind, kleinere Projekte wie automatische Zuordnung von elektronischen Dokumenten zu einem bestimmten Verfahren. Beim Scannen von Dokumenten für die elektronische Weiterverarbeitung sei auf bildliche und inhaltliche Übereinstimmung zu achten sowie der Schutzbedarf für das Scanverfahren festzulegen. Weitere Innovationen sieht der Autor in der Generierung von Texten (Standardformulierungen) oder der Aufbereitung von Schriftgut (z. B. Erzeugung von Inhaltsverzeichnissen). (us)

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