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Cannabis am Arbeitsplatz – Das Konsumcannabisgesetz in der arbeitsgerichtlichen Praxis

Von Rechtsanwalt Dr. Stefan Müller

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Abstract
Mit dem Konsumcannabisgesetz wurde Cannabis teilweise legalisiert. Der Autor untersucht, inwieweit auch der Konsum oder Besitz von Cannabis am Arbeitsplatz legalisiert wurde, welche Verbote, insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen, zu beachten sind und welche Folgen Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis haben können.

With the passing of the Consumer Cannabis Act, cannabis was partially legalised. The author examines the extent to which the use or possession of cannabis has been legalised in the workplace, which prohibitions, particularly in safety-related areas, must be observed and what consequences breaches of duty in the employment relationship can have.

Am 23.2.2024 hat der Deutsche Bundestag im Rahmen der Teillegalisierung von Cannabis u. a. das sog. Konsumcannabisgesetz (KCanG) verabschiedet. Das Gesetz ist am 1.4.2024 in Kraft getreten und erlaubt Erwachsenen an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort den Besitz von 50 g Cannabis, außerhalb dieser Örtlichkeiten von 25 g Cannabis für den Eigenkonsum. Mit dem Gesetz wurde kein „Recht zum Rausch“ am Arbeitsplatz geschaffen. Vielmehr sind Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet, die (weiterhin) bestehenden Grenzen und Verbote beim Besitz und Konsum von Cannabis auf dem Weg zur Arbeit und während ihres (gesamten) Aufenthaltes auf dem Betriebsgelände einzuhalten. Bei Verstößen drohen (auch weiterhin) arbeitsrechtliche Maßnahmen, deren Wirksamkeit auch von ehrenamtlichen Richtern in Verfahren vor den Arbeitsgerichten zu beurteilen sein kann. Der folgende Beitrag gibt dazu einen ersten Überblick.

Das KCanG enthält kein generelles Verbot von Cannabis am Arbeitsplatz, sondern regelt Konsum- und Besitzverbote, die auch von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz zu beachten sind.1

Das KCanG verbietet mit § 5 für bestimmte Situationen, Orte bzw. Bereiche den Konsum von Cannabis. So ist nicht nur der Konsum von Cannabis in unmittelbarer Gegenwart von minderjährigen Personen (z. B. Azubis, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben) verboten (vgl. § 5 Abs. 1 KCanG). Es besteht u. a. auch das Verbot, Cannabis in Schulen sowie in Kinder- und Jugendeinrichtungen (z. B. Kindertagesstätten und Kindergärten, auch Betriebskindergärten) und in deren Sichtweite (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 KCanG) öffentlich zu konsumieren. Das Verbot erfasst nicht nur die bei dem Träger der Schule bzw. Einrichtung angestellten Arbeitnehmer während ihres gesamten (Präsenz-) Aufenthaltes (einschließlich Pausen bzw. Freizeitgestaltung) auf dem Schul-/Einrichtungsgelände sowie in den geschützten Eingangsbereichen. Es erstreckt sich auch auf alle anderen Personen (z. B. Arbeitnehmer, die bei Dienstleistern angestellt sind) während ihres Aufenthaltes auf dem Schul-/ Einrichtungsgelände.

Darüber hinaus sind im Arbeitsverhältnis die in § 2 KCanG verankerten Verbote zu beachten. Darunter fällt der unerlaubte Besitz von Cannabis (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG). Allerdings sind von diesem Verbot volljährige Beschäftigte ausgenommen, soweit sie die in § 3 KCanG verankerten Besitzgrenzen von

  • bis zu 50 g Cannabis (Trockengewicht) und bis zu drei lebenden Cannabispflanzen an ihrem Wohnsitz oder an ihrem gewöhnlichen Aufenthaltsort sowie
  • bis zu 25 g Cannabis (Trockengewicht)2 zum Eigenkonsum außerhalb des Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthaltsortes nicht überschreiten.

Neben dem Besitzverbot enthält § 2 KCanG weitere Verbote. Insbesondere ist es (auch Arbeitnehmern am Arbeitsplatz) untersagt,

  • entgegen § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG mit Cannabis Handel zu treiben, z. B. regelmäßig Cannabis an Arbeitskollegen zu verkaufen,
  • entgegen § 2 Abs. 1 Nr. 7 KCanG Cannabis an Dritte abzugeben, z. B. einem Arbeitskollegen Besitz zu verschaffen,
  • sich selbst entgegen § 2 Abs. 1 Nr. 11 KCanG Cannabis zu verschaffen,
  • entgegen § 2 Abs. 1 Nr. 12 KCanG Cannabis zu erwerben (insbesondere durch Kauf) oder (auch unentgeltlich) entgegenzunehmen, z. B. von einem Arbeitskollegen, wobei erst der Erwerb bzw. die Entgegennahme von mehr als 25 g Cannabis pro Tag bzw. mehr als 50 g Cannabis pro Kalendermonat unter Strafe gestellt sind (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG).

Neben den im KCanG verankerten Verboten können im Streitfall weitere spezialgesetzliche Regelungen zu berücksichtigen sein, die dem Arbeitnehmer im Einzelfall untersagen, seine Arbeit unter dem Einfluss von berauschenden Substanzen und damit auch unter dem Einfluss des im Cannabis enthaltenen Wirkstoffs THC (dieser vermag die berauschende Wirkung auszulösen) zu erbringen.

Insoweit ist zunächst § 24a Abs. 2 StVG in den Blick zu nehmen. Danach handelt ordnungswidrig, wer schuldhaft unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Inzwischen ist der im Cannabis enthaltene Wirkstoff THC zwar nicht mehr in dieser Anlage aufgeführt. Dies bedeutet aber nicht, dass das StVG nunmehr das Führen von Fahrzeugen unter dem Einfluss von THC generell gestattet. Vielmehr ist hier von Fahranfängern die in § 24c Abs. 1 StVG mit dem „Alkohol- und Cannabisverbot“ normierte „Null-Grenze“ zu beachten. Für die übrigen Kraftfahrzeugführer gilt nunmehr der in § 24a Abs. 1a StVG verankerte THC-Grenzwert. Ein Arbeitnehmer, der kein Fahranfänger i. S. v. § 24c Abs. 1 StVG mehr ist, verstößt daher (erst) dann gegen das StVG, wenn er mit 3,5 ng/ml oder mehr THC im Blutserum einen Dienstwagen im Straßenverkehr steuert.

Darüber hinaus bestehen weitere spezialgesetzliche Verbote, insbesondere

  • § 8 Abs. 3 BOKraft für das im Fahrdienst eingesetzte Betriebspersonal (Busfahrer),
  • § 13 Abs. 3 BOStrab für die Betriebsbediensteten (Straßenbahnfahrer),
  • § 4a Abs. 1 Satz 1 LuftVG für Luftfahrzeugführer (Piloten).

Die aufgeführten Verbote untersagen den betreffenden Arbeitnehmern nicht nur generell den Konsum berauschender Substanzen während des Zeitraums zwischen Beginn und Ende der Arbeitszeit. Sie begründen vielmehr ein strenges, d. h. absolutes Rauschmittelverbot, indem sie bereits das Führen der Kraft-, Schienen- sowie Luftfahrzeuge „unter der Wirkung“ bzw. „unter dem Einfluss“ von Mitteln, gleich welcher Art, untersagen, soweit es sich dabei um „die dienstliche Tätigkeit beeinträchtigende Mittel“ oder um „Alkohol oder andere(n) psychoaktive(n) Substanzen“ handelt. Da THC eine berauschende Wirkung auslösen kann, fällt auch Cannabis unter diese gesetzlichen Regelungen. Nach deren Wortlaut gilt eine „Null-Toleranz-Grenze“. Dies bedeutet, dass alle unter den Geltungsbereich der absoluten Rauschmittelverbote fallenden Arbeitnehmer ihre Arbeit nüchtern, ohne jedweden Rauschmitteleinfluss aufnehmen müssen. Diesen Arbeitnehmern ist nicht nur während der Arbeit ein Cannabiskonsum untersagt. Vielmehr müssen sie darüber hinaus auch einen etwaigen Cannabiskonsum in ihrer Freizeit rechtzeitig beenden, um sicherzustellen, dass sie bei der Arbeitsaufnahme nicht (mehr) unter der berauschenden Wirkung des im Cannabis enthaltenen THC stehen.

Problematisch erscheint allerdings, dass es für Cannabis – wie für zahlreiche andere Rauschmittel – im Unterschied zu Alkohol keine gesicherte Dosis-Wirkung-Beziehung gibt. Hinzu tritt, dass der Zeitraum der Nachweisbarkeit von THC sowie des Abbauproduktes THC-COOH (THC-Carbonsäure) davon abhängt, wie viel und wie häufig eine Person Cannabis konsumiert. Im Einzelfall kann dies zur Folge haben, dass zwar eine THC-Konzentration nachgewiesen wird, die betreffende Person aber zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr unter der Wirkung bzw. dem Einfluss des Rauschmittels steht.

Vor diesem Hintergrund lässt sich ein Verstoß gegen ein geltendes absolutes Rauschmittelverbot im Regelfall allenfalls indiziell aus einem positiven Rauschmitteltest ableiten. Auch die Beobachtung eines Cannabiskonsums (z. B. in einer Pause des Arbeitnehmers) bzw. die Feststellung rauschmitteltypischer Ausfallerscheinungen kann indiziell dafür sprechen, dass der Arbeitnehmer unter der „Wirkung“ bzw. dem „Einfluss“ eines Rauschmittels steht und ein bestehendes absolutes Rauschmittelverbot verletzt.

Auch in den Fallgestaltungen, in denen kein spezialgesetzliches Verbot eingreift, ist zu berücksichtigen, dass jeder Arbeitnehmer das aus der allgemeinen Unfallverhütungsvorschrift (UVV) des § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 folgende (relative) Rauschmittelverbot zu beachten hat. Dieses gilt unabhängig von der Tätigkeit (also auch außerhalb des sicherheitsrelevanten Bereichs).

Die allgemeine UVV begründet zwar kein absolutes Rauschmittelverbot. Jedoch sind alle Arbeitnehmer nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 verpflichtet, sich „durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand [zu] versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können“. In den Erläuterungen Ziff. 3.1.2 zu dieser Vorschrift wird darauf hingewiesen, dass „insbesondere Haschisch, Marihuana“ den Drogen – und damit den berauschenden Mitteln i. S. v. § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 – zuzuordnen sind. Daher unterfällt auch der Konsum von Cannabis dieser Vorschrift.3 Ob der Cannabis-Konsum dazu führt, dass der Arbeitnehmer nicht mehr sicher arbeiten kann, wäre im Streitfall einzelfallbezogen zu beurteilen. Insoweit kommt es im Wesentlichen auf folgende Umstände an:

  • Art, Rauschmittelsensibilität und Gefährlichkeit der vom Arbeitnehmer geschuldeten Tätigkeit,
  • Art, Menge bzw. THC-Konzentration des konsumierten Cannabis.4

Bei Arbeitnehmern, die im sicherheitsrelevanten Bereich tätig sind (z. B. Gabelstaplerfahrer) bzw. sicherheitsrelevante Tätigkeiten ausüben, kann bereits der Konsum geringer Rauschmittelmengen einen Verstoß gegen § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 begründen. Insoweit ist zu sehen, dass im Arbeitsrecht – außerhalb bestehender absoluter Verbote – keine starren Grenzen bestehen. Allerdings kann im Einzelfall der für die Sicherheit im Straßenverkehr nunmehr in § 24a Abs. 1a StVG normierte Grenzwert als Wertungsmaßstab herangezogen werden.5 Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass THC auch unterhalb dieses Grenzwertes im Einzelfall noch berauschend wirken und einem sicheren Arbeiten i. S. v. § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 entgegenstehen kann. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn entsprechende Indizien (Ausfallerscheinungen) für eine berauschende Wirkung sprechen.

Ein Verstoß gegen die allgemeine UVV begründet nicht nur eine Verletzung der arbeitnehmerseitigen Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis. Zugleich begehen Versicherte eine mit einer Geldbuße bis 10.000 Euro bewehrte Ordnungswidrigkeit, wenn sie vorsätzlich oder fahrlässig gegen § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 verstoßen und sich durch den Konsum von Cannabis in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können (vgl. § 32 DGUV Vorschrift 1 i. V. m. § 209 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VII).

Bei der arbeitsrechtlichen Bewertung kann sich ein Verbot des Konsums von Cannabis auch aus geltenden Tarifverträgen bzw. Betriebs-/Dienstvereinbarungen ergeben. Derartige Regelungen fallen grundsätzlich unter die Regelungsbefugnis der Tarifvertrags- bzw. Betriebsparteien. Dabei darf aber durch einen solchen Kollektivvertrag nicht unverhältnismäßig in Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen werden. Problematisch kann sich insoweit die Regelung von „strengen“, d. h. absoluten Cannabisverboten darstellen. Denn diese Verbote untersagen den Arbeitnehmern nicht nur den Konsum von Cannabis zwischen Beginn und Ende der Arbeitszeit (einschließlich Pausenzeiten). Vielmehr verbieten sie dem Arbeitnehmer darüber hinaus, dass er die Arbeit im berauschten Zustand aufnimmt. Er muss sein Freizeitverhalten nach diesem Verbot ausrichten, indem er den Konsum von Rauschmitteln in seiner Freizeit so rechtzeitig beendet, dass er die bei Arbeitsbeginn geltende „Null-Grenze“ einhält. Daher greifen absolute Cannabisverbote in die grundrechtlich geschützte Freizeitgestaltung des Arbeitnehmers ein und bedürfen einer besonderen Rechtfertigung. Diese liegt jedenfalls dann nahe, wenn sich das Verbot (auch) auf Tätigkeiten im sog. sicherheitsrelevanten Bereich erstreckt und damit (auch) dem Schutz überragender Rechtsgüter, d. h. dem Schutz von Leib, Leben bzw. Gesundheit der dort tätigen Personen dient.6 Soweit das Verbot dagegen (lediglich) Bereiche bzw. Tätigkeiten außerhalb des sicherheitsrelevanten Bereiches erfasst, kann sich ein absolutes Cannabisverbot als unverhältnismäßiger Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Arbeitnehmer und damit als unwirksam erweisen.

Im Einzelfall kann das Verbot eines Konsums von Cannabis am Arbeitsplatz auch aus einer entsprechenden Weisung des Arbeitgebers folgen. Bei der Erteilung von Weisungen sind neben etwaigen Mitbestimmungsrechten eines bestehenden Betriebs- oder Personalrates auch die in § 106 Gewerbeordnung (GewO) verankerten Grenzen zu beachten. Insbesondere muss die Anordnung eines Cannabisverbotes billigem Ermessen entsprechen. Danach kann zwar ein Cannabiskonsum während der Arbeitszeit regelmäßig untersagt werden. Dagegen greifen Verbote, mit denen Arbeitnehmern der Cannabiskonsum während der Freizeit generell untersagt werden soll, (übermäßig) in die Freizeitgestaltung ein und sind im Regelfall nicht mehr vom Weisungsrecht gedeckt.

Infolge von Verstößen gegen Konsum-/Besitzverbote können sich arbeitsgerichtliche Streitigkeiten entwickeln. Dabei kommen insbesondere folgende Fallgruppen in Betracht:

Arbeitnehmer, die erkennbar nicht in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, dürfen nicht beschäftigt werden. § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 begründet ein entsprechendes, absolutes Beschäftigungsverbot. Dieses kann u. a. durch den Konsum von Rauschmitteln und damit auch durch einen Cannabiskonsum ausgelöst sein.7 Vorgesetzte müssen reagieren und eine (weitere) Beschäftigung eines Arbeitnehmers sofort unterbinden, sobald ihnen konkrete Umstände bekannt werden, die dafür sprechen, dass der Arbeitnehmer nicht (mehr) in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Tätigkeiten gefahrlos – ohne sich oder andere zu gefährden – zu erbringen.8 Dies gilt insbesondere bei Arbeitnehmern, die im sicherheitsrelevanten Bereich tätig sind.

Soweit und solange der Arbeitnehmer infolge eines Konsums von Rauschmitteln nicht arbeitet und der Arbeit fernbleibt, besteht grundsätzlich kein Vergütungsanspruch. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer infolge des Konsums von Cannabis nicht mehr ordnungsgemäß bzw. gefahrlos arbeiten kann bzw. durch ein (rechtmäßig) verhängtes Beschäftigungsverbot nach § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 an der Erbringung der Arbeitsleistung gehindert ist. Soweit der Arbeitsausfall aber auf eine Suchterkrankung zurückzuführen ist, kommen Ansprüche auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz, EFZG) in Betracht.

Im Einzelfall kann der Besitz bzw. Konsum von Cannabis auch eine verhaltens- bzw. personenbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen.

Bei einer verhaltensbedingten Kündigung setzt dies eine schuldhafte Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten voraus. Eine Pflichtverletzung steht u. a. dann im Raum, wenn sich der Arbeitnehmer durch den Genuss von Rauschmitteln vor oder während der Arbeitszeit in einen Zustand versetzt, der eine (vollständige) Erfüllung der Arbeitspflicht und der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten nicht mehr zulässt. Bei besonders schwerwiegenden Pflichtverletzungen kann auch eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein. Diese kommt etwa dann in Betracht, wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeit unter dem berauschenden Einfluss von Cannabis erbringt und dadurch Leib, Leben bzw. Gesundheit von sich bzw. Dritten (z. B. Fahrgästen) gefährdet. Auch die Verletzung eines während der Arbeitszeit bzw. während des Aufenthaltes auf dem Betriebsgelände geltenden Cannabisverbotes – gleich ob sich dieses auf Konsum, Besitz, Erwerb oder Abgabe von Cannabis erstreckt – kann im Einzelfall eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Allerdings gilt hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, z. B. ob nicht anstelle der Kündigung eine Abmahnung als milderes Mittel auszusprechen ist.

Soweit Pflichtverletzungen im Arbeitsverhältnis (z. B. ein Verstoß gegen ein wirksames Rauschmittelverbot am Arbeitsplatz) auf eine Suchtmittelabhängigkeit des Arbeitnehmers zurückzuführen sind, kann im Einzelfall darüber zu entscheiden sein, ob der Arbeitnehmer sein Verhalten noch steuern und damit die von ihm begangene Pflichtverletzung vermeiden konnte. Soweit die von einem suchtmittelabhängigen Arbeitnehmer begangene Pflichtverletzung aufgrund einer bestehenden Suchtmittelabhängigkeit nicht steuerbar war, stellt sich eine auf diese Pflichtverletzung gestützte verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig wegen fehlenden Verschuldens als unwirksam dar.

Im Einzelfall kann im Zusammenhang mit dem Konsum von Cannabis eine personenbedingte (krankheitsbedingte) Kündigung zu bewerten sein. Lässt eine bestehende Suchtmittelabhängigkeit eine ordnungsgemäße Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten auf Dauer nicht mehr erwarten, kommt – soweit dem Arbeitnehmer zuvor die Durchführung einer Entziehungskur ermöglicht wurde – eine personenbedingte Kündigung in Betracht.

Eine personenbedingte Kündigung kann auch dann gerechtfertigt sein,

  • wenn einem Berufskraftfahrer aufgrund Cannabiskonsums in seiner Freizeit bei der Fahrt mit seinem Privat-Pkw der Führerschein entzogen wird,
  • mit einer (Wieder-) Erteilung dauerhaft oder jedenfalls in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist und
  • keine anderweitige zumutbare Möglichkeit der Weiterbeschäftigung besteht.

Mit der Teillegalisierung von Cannabis ist volljährigen Personen in bestimmten Grenzen der Besitz und Konsum von Cannabis gestattet. Ein „Recht zum Rausch“ am Arbeitsplatz besteht jedoch nicht. Vielmehr haben Arbeitnehmer während ihrer Arbeitszeit und des Aufenthaltes auf dem Betriebsgelände die geltenden Konsum- und Besitzverbote zu beachten. Insbesondere dürfen sie sich durch den Konsum von Cannabis nicht in einen Zustand versetzen, bei dem sie ihre Arbeit nicht mehr sicher für sich bzw. andere erbringen können. Verstöße gegen die vom Arbeitnehmer einzuhaltenden arbeitsrechtlichen Einschränkungen können ein Beschäftigungsverbot und damit verbunden einen Verlust von Vergütungsansprüchen auslösen. Im Einzelfall kommt auch eine verhaltens- bzw. personenbedingte Kündigung in Betracht. Hierbei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Im Rahmen einer arbeitsgerichtlichen Streitigkeit ist ggf. auch von den ehrenamtlichen Richtern zu bewerten, ob die ausgesprochene Kündigung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles verhältnismäßig ist oder ob nicht vom Arbeitgeber ein milderes Mittel (z. B. eine Abmahnung) zu ergreifen war.


  1. Dazu im Einzelnen etwa Müller, NZA 2024, S. 577 ff.; Steinau-Steinrück/Thurner, NJW-Spezial 2024, S. 370 f. ↩︎
  2. Bei durchschnittlich 0,3 g pro Joint entspricht dies immerhin ca. 80 Joints (!). ↩︎
  3. Fuhlrott, ArbRAktuell 2023, S. 531 f.; Müller, Suchtmittel am Arbeitsplatz, 1. Aufl., 2020, Rn. 88. ↩︎
  4. Vgl. Müller, Suchtmittel am Arbeitsplatz, 1. Aufl., 2020, Rn. 91, S. 138 ff. ↩︎
  5. Vgl. zur alten Rechtslage LAG Sachsen, Urteil vom 26.5.2000, Az.: 2 Sa 995/99; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 20.11.2007, Az.: 5 TaBV 23/07; Müller, Suchtmittel am Arbeitsplatz, 1. Aufl., 2020, Rn. 147. ↩︎
  6. Dazu Müller, Suchtmittel am Arbeitsplatz, 1. Aufl., 2020, Rn. 107, 111 jeweils m. w. N. ↩︎
  7. Siehe auch Positionspapier der DGUV „NULL Alkohol und NULL Cannabis bei Arbeit und Bildung“, Stand: Nov. 2023 [Abruf: 20.12.2024]. ↩︎
  8. Vgl. Grundsätze der Prävention, Hrsg.: Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. (DGUV), Ausg. Mai 2014, Erläuterungen zu § 7 DGUV Vorschrift 1, Ziffer 2.6.2, S. 39 [Abruf: 20.12.2024]; BAG, Urteil vom 26.1.1995, Az.: 2 AZR 649/94 unter III 4 b) bb) (2) der Gründe zur Vorgängerregelung in UVV § 38 VGB I. ↩︎

Zitiervorschlag: Stefan Müller, Cannabis am Arbeitsplatz – Das Konsumcannabisgesetz in der arbeitsgerichtlichen Praxis, in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 4, S. 140-144.

Über die Autoren

  • Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei für Arbeitsrecht MÜLLER . KÜHN. Er hält regelmäßig Seminare zu aktuellen arbeitsrechtlichen Themen und ist durch zahlreiche Publikationen im Arbeitsrecht ausgewiesen.

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