Jugendstrafrecht – Ultima Ratio der Sozialkontrolle junger Menschen
Falsche Straferwartungen und „richtiges Strafen“1
Von Prof. Dr. Heribert Ostendorf, Generalstaatsanwalt a. D., vormals Leiter der Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und Kriminalprävention an der Universität Kiel
Abstract
Zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und Konflikte wird zunehmend – wieder – auf das Strafrecht zurückgegriffen. Hierbei bleibt das verfassungsrechtliche Gebot, Strafen nur als letztes Mittel – Ultima Ratio – einzusetzen, unbeachtet. Dies betrifft auch das Jugendstrafrecht. Es gibt eine Diskrepanz von gesellschaftlichen Straferwartungen und den erkannten Strafen. Die Gründe für überzogene Straferwartungen werden analysiert und Wegweiser für „richtiges“ Strafen entsprechend den verfassungsrechtlichen und jugendstrafrechtlichen Vorgaben aufgestellt. Bei sog. Intensivtätern wird vor einem bloßen Strafverschärfungsautomatismus gewarnt. Letztlich wird für ein Maßhalten bei der Sanktionierung plädiert, weil Maßlosigkeit im Umgang mit Kriminalität neues Unrecht schafft.
Criminal law is increasingly being used – again – to solve social problems and conflicts. The constitutional requirement that punishment should only be used as a last resort remains unheeded. This also applies to juvenile criminal law. There is a discrepancy between society’s expectations of punishment and the sentences imposed. The reasons for excessive punishment expectations are analysed and guidelines for „correct“ punishment are drawn up in accordance with constitutional and juvenile criminal law requirements. In the case of so-called prolific offenders, a warning is issued against a mere automatic aggraviation of sentence. Ultimately, a plea is made in favour of moderation in sanctions, because excessiveness in dealing with crime creates new injustice.
I. Das Ultima-Ratio-Prinzip
Ultima Ratio heißt übersetzt „letztes Mittel”. Ultima Ratio stand als Motto auf den Kanonengeschützen des französischen Königs Ludwig XIV., ebenfalls des preußischen Königs Friedrich des Großen. Der Kanoneneinsatz sollte das letzte Mittel sein. In der Theorie. Wir kennen diesen Grundsatz aber auch in unserem Alltag. Wenn wir erkältet sind, Schnupfen haben, versuchen wir zunächst, ohne Antibiotika auszukommen und stattdessen heiße Milch mit Honig zu trinken, Salzlösungen zu inhalieren, frische Luft zu „tanken”. Antibiotika setzen wir erst ein, wenn die Hausmittel nicht wirken, weil sie immer auch schädliche Nebenwirkungen erzeugen – bis zur Antibiotikaresistenz. Zur Strafenresistenz später.
Auch Strafen, mit denen wir versuchen, Kriminalität zu bekämpfen, soziale Krankheiten zurückzudrängen, haben häufig schädliche Nebenwirkungen. Nicht nur der Straftäter erleidet mit der Bestrafung Übel, häufig auch die Familienangehörigen, die Kinder, der Lebenspartner. Und Strafübel wirken fort. Der Verurteilte kann seine Arbeit verlieren, wenn er denn eine hat; Schulden werden gerade in der Zeit des Freiheitsentzuges nicht abgetragen, sie vermehren sich. Gesellschaftlich geraten Verurteilte nicht selten gänzlich ins Abseits. Familien brechen auseinander, Freunde und Nachbarn wollen nichts mehr mit so einem zu tun haben. Kriminologen sagen, der Straftäter wird stigmatisiert. Im Mittelalter wurden Straftäter gezielt an den Pranger gestellt. In unserer Mediengesellschaft, im Internet gibt es neue Prangerwirkungen. Meine Doktorandin Mareike Fröhling hat 2014 hierzu eine bemerkenswerte Dissertation mit dem Titel „Der moderne Pranger“ veröffentlicht.
Das Ultima-Ratio-Prinzip gilt heute auch im Strafrecht. Bevor der Gesetzgeber für sozialschädliches Verhalten Strafe androht, müssen andere, bessere Vorbeuge- und Reaktionsmittel ausgeschöpft sein. Das gebietet das Verhältnismäßigkeitsprinzip – als Teil des Rechtsstaatsprinzips abgeleitet aus Art. 20 Abs. 3 GG. Wenn der Staat mit Strafen, d. h. mit Rechtsgüterverletzungen beim Delinquenten, die Rechtsgüter der Bürger schützen will, muss dies unbedingt notwendig sein, weil mildere Mittel nicht ausreichen. Jede Strafe, auch die gut gemeinte erzieherische Sanktion, verlangt etwas vom Delinquenten, greift in seine Rechtsposition ein. Emotionale Strafbedürfnisse reichen für rechtsstaatliches Strafen nicht aus. Die Versteinerung von Rechtsgefühlen in Strafgesetzen bedarf der Gesetzesnotwendigkeit. Es ist das Wesen des Rechtsstaates, dass der Staatsmacht Grenzen gesetzt werden. Und wenn wir im Gerichtssaal Strafen aussprechen, müssen diese ebenfalls notwendig, zusätzlich geeignet und schuldangemessen sein.
Vier Regelungen im Strafrecht spiegeln dieses Ultima-Ratio-Prinzip wider:
1. Vor Anklageerhebung, vor einer Verurteilung muss geprüft werden, ob eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit in Betracht kommt – eine Einstellung mit Auflagen (meistens mit einer Geldbuße) oder ohne Auflagen. Dies gilt im Erwachsenenstrafrecht gemäß §§ 153, 153a StPO, im Jugendstrafrecht insbesondere gemäß §§ 45, 47 JGG. Im Jugendstrafrecht werden ca. 67 % der Verfahren aus diesen Opportunitätsgründen eingestellt, z. T. auch aus prozessökonomischen Gründen. Das Verfahren, angefangen mit der polizeilichen Vernehmung bis zum Tätigwerden der Staatsanwaltschaft bzw. des Gerichts, hat häufig bereits eine ausreichende Wirkung neben den sozialen Folgen und Reaktionen, z. B. vonseiten der Eltern bei Jugendlichen. „Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“, lautet das Sprichwort.
2. Bei Verstoß gegen das BtMG hat die Drogentherapie Vorrang vor der Bestrafung (§§ 35 ff. BtMG). Das macht Sinn. Drogenabhängige werden allein mit Strafen nicht geheilt; auch im Strafvollzug werden Drogen konsumiert. Eine Besserung, eine Prävention vor weiteren Straftaten – auch vor der Beschaffungskriminalität – kann in der Regel nur die Drogentherapie bringen; die Strafandrohung kann hierfür einen Anstoß geben.
3. Ambulante Sanktionen – ich übernehme die Begrifflichkeit aus der medizinischen Behandlung – haben Vorrang vor stationären Sanktionen – wie bei Krankheiten. Im Jugendstrafrecht gibt es für den ambulanten Bereich eine ganze Palette von Strafeinwirkungen: Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel. Jugendstrafe wegen schädlicher Neigungen des Angeklagten – ich halte diesen Begriff der schädlichen Neigungen selbst für schädlich, weil in höchstem Grad stigmatisierend – darf gemäß § 17 Abs. 2 Alt. 1 JGG nur verhängt werden, wenn Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nicht ausreichen. So steht es im Gesetz – und dem Gesetz sind wir verpflichtet.
4. Letztes Beispiel für das Ultima-Ratio-Prinzip im Strafrecht: Wenn eine Freiheitsstrafe unverzichtbar ist, die bekanntlich im Jugendstrafrecht Jugendstrafe heißt, kann diese Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden, d. h. wenn der Verurteilte sich in der Bewährungszeit gut führt und die Weisungen und Auflagen befolgt, wird die Strafe erlassen. Im Jugendstrafrecht soll die Jugendstrafe bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden (§ 21 Abs. 2 JGG). Die Resozialisierung des Täters mit Weisungen und Auflagen, insbesondere auch mit Unterstützung durch den Bewährungshelfer, ist erfolgversprechender als mit der Verbüßung der Freiheitsstrafe in einer Strafvollzugsanstalt. Trotz aller Bemühungen in den Anstalten ist die Rückfallquote deutlich höher als nach einer Bewährungsstrafe gerade mit Einsatz eines Bewährungshelfers. Deshalb ist der Bewährungshelfer im Jugendstrafrecht verpflichtend. Die Rückfallquote nach Verbüßung einer Jugendstrafe liegt bei 70 bis 80 %, wobei die Definition des Rückfalls unterschiedlich ist.2
II. Zur Diskrepanz von Straferwartungen und jugendstrafjustiziellen Strafen
87,5 % der Bundesbürger sagen, Verbrechen sollten härter bestraft werden. 80,1 % sagen, um Recht und Ordnung zu bewahren, sollte man härter gegen Außenseiter und Unruhestifter vorgehen. Die Befürworter der Todesstrafe nehmen zu, beim Sexualmord an Kindern ist die Mehrheit der Bevölkerung für die Todesstrafe. Diese von Heitmeyer ermittelten Werte3 machen stutzig, weil die Angst vor Kriminalität in den letzten Jahren deutlich gesunken ist, die Angst vor Terroranschlägen allerdings aufgrund der aktuellen Attentate verständlicherweise gestiegen ist.4 Auch sind die Sorgen über die Kriminalitätsentwicklung seit 1997 deutlich rückläufig. Trotzdem wird nach mehr Strafe gerufen.
Dies gilt auch für das Jugendstrafrecht. Viele in der Bevölkerung halten die Jugendstrafjustiz für zu milde, zu lasch, fordern härtere Gesetze. Dass diese Stimmung im Volk auch gemacht wird, von der Politik, von den Medien beeinflusst wird, dass der Ruf nach Sicherheit und Ordnung, nach mehr Strafrecht angeheizt wird, ist bekannt. Wir sprechen vom politisch-medialen Verstärkerkreislauf. Politiker sagen, wir bedienen nur die Interessen der Bürger, das ist demokratisch. Die Medien sagen, wir berichten nur über das, was passiert, und drücken nur das aus, was die Bürger wollen. Und die Bürger erwarten von den Politikern, dass sie das einhalten, was sie versprechen, nämlich mehr Sicherheit. Die Zeit des Ultima-Ratio-Prinzips scheint vorbei zu sein. Aus dem Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts wird das Optima-Ratio-Prinzip: Strafe wird zum besten Mittel der Sozialkontrolle.
Ich nenne sechs Gründe für derartige Straferwartungen; drei Gründe betreffen die einzelne Straftat und drei Gründe die allgemeine Strafmentalität:
- Man kennt nicht die näheren Tatumstände, will sie gar nicht wissen. Man sieht nur die böse Tat und von der bösen Tat wird auf den bösen Täter geschlossen. Hierbei kennen wir nicht einmal die böse Tat. Sie wird erst in der Hauptverhandlung ermittelt. Nicht selten kommt etwas ganz anderes heraus; bei Körperverletzungsdelikten hat nicht selten das Opfer Mitschuld, manchmal ist es sogar der Angreifer. Bei Gruppendelikten potenziert sich das Böse aus der Opferperspektive, aus der Täterperspektive wird das Böse relativiert, tragen mehrere Verantwortung.
- Man versteht nicht die Prozessregel, wonach die Unschuldsvermutung des tatverdächtigen Bürgers widerlegt werden muss. In der öffentlichen Diskussion genügt häufig der Verdacht: „Der muss es doch gewesen sein.“ Es gilt gerade in den sozialen Medien, die häufig asoziale Medien sind, nur die subjektive Wahrnehmung, es gilt die subjektive Wahrheit. Im Gerichtssaal sind wir der objektiven Wahrheit verpflichtet. Manchmal findet man keinen Schuldigen. Man hat einen Verdächtigen, aber der Verdacht erhärtet sich nicht zur Gewissheit, um die Unschuldsvermutung zu widerlegen. Gemäß Art. 6 Abs. 2 EMRK gilt jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig. Wenn im Vergewaltigungsprozess Aussage gegen Aussage steht, ist es schwierig. Wenn Zweifel bleiben, muss das Gericht freisprechen, auch gegen eine öffentliche, gegen eine veröffentlichte Meinung. Dies heißt nicht, dass das Gericht dem Angeklagten glaubt und der Belastungszeugin nicht glaubt. Man weiß nicht sicher, was genau passiert ist.
- Dritter Grund, der die einzelne Straftat betrifft: Man will von Entlastungen des Täters aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur, aufgrund seiner sozialen Bezüge nichts wissen. Wir wissen aus der kriminologischen Forschung, dass nicht wenige Sexualstraftäter in der Kindheit selbst Opfer von Sexualdelikten, von sexuellen Übergriffen gewesen sind. Natürlich gibt es Verantwortungsabgaben der Täter bis hin zu Selbstrechtfertigungen: „Wenn meine Eltern mich härter angepackt hätten, wäre ich nicht kriminell geworden.“ Trotzdem hat jedes Verbrechen eine Vorgeschichte. Schlechte Vorbilder, inkonsequente Erziehung, kriminogenes Milieu, Perspektivlosigkeit, gesellschaftliche Randständigkeit begünstigen Verbrechen. Friedrich Schiller hat 1786 eine heute noch aktuelle Erzählung geschrieben: „Der Verbrecher aus verlorener Ehre.“ Opfer wollen häufig von solchen Täterentlastungen nichts wissen. Die Eltern eines missbrauchten Kindes sagen mit einigem Recht: „Was geht uns die Biografie des Sexualstraftäters an, wir erleben das Leid, das unserem Kind angetan worden ist, wir wollen, dass dieses Leid gesühnt wird.“ Die Tat, das Verbrechen wird abgekoppelt von der Täterpersönlichkeit, Schuldmilderungen, besondere Tatumstände werden nicht akzeptiert. Hier bleiben Diskrepanzen, hier bleiben Widersprüche. Auch im Jugendstrafrecht ist die Tat der Ausgangspunkt für den Prozess, auch wenn das Jugendstrafrecht als Täterstrafrecht apostrophiert wird. Korrekt muss es heißen: Tat-Täterstrafrecht. Wir verurteilen den Täter wegen seiner Tat – „Der Angeklagte hat sich eines sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 StGB) schuldig gemacht“ –, die Sanktion muss auf die Täterpersönlichkeit abgestellt werden. Kein Strafrecht der Welt kann die Verletzungen durch die Tat ungeschehen machen; deshalb müssen wir uns hinsichtlich der Sanktion auf den Täter konzentrieren. Hierbei verurteilen wir den Täter nicht in seiner Totalität, auch werden nicht Lebensabschnitte verurteilt. Verurteilt wird eine Tat, die manchmal nur drei Minuten gedauert hat, manchmal, bei einem Tötungsdelikt, nur Sekunden; wir verurteilen den Täter wegen eines Bruchteils seines Lebens. Das Strafrecht muss das verständliche Vergeltungsstreben für die Tat aus der Gesellschaft mit der Brandmarkung des Täters kanalisieren, sonst landen wir wieder bei der Blutrache, bei der Lynchjustiz. Ein Vorgriff zum „richtigen Strafen“.
Abb.1 Entwicklung tatverdächtiger Kinder
Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS); eigene Darstellung
* Aufgrund der Einführung der „echten Tatverdächtigenzählung auf Bundesebene“ im Jahr 2009 ist ein Vergleich mit den Vorjahren nicht möglich.
Abb. 2 Entwicklung tatverdächtiger Jugendlicher
Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS); eigene Darstellung
* Aufgrund der Einführung der „echten Tatverdächtigenzählung auf Bundesebene“ im Jahr 2009 ist ein Vergleich mit den Vorjahren nicht möglich.
Abb. 3 Entwicklung tatverdächtiger Heranwachsender
Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS); eigene Darstellung
* Aufgrund der Einführung der „echten Tatverdächtigenzählung auf Bundesebene“ im Jahr 2009 ist ein Vergleich mit den Vorjahren nicht möglich.
Nun zu drei Gründen für überzogene Straferwartungen, die die allgemeine Strafmentalität betreffen:
- Man geht von einer dramatischen Bedrohungslage durch Kriminalität aus. Das Gegenteil ist der Fall. Kriminalität, auch Jugendkriminalität geht seit Jahren nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zurück, auch wenn in sog. sozialen Brennpunkten zum Teil eine andere Entwicklung festzustellen ist (vgl. die Abbildungen mit den absoluten Tatverdächtigenzahlen). Tatverdächtigenbelastungszahlen pro 100.000 können für nichtdeutsche Tatverdächtige im Hinblick auf ihre unbestimmte Gesamtzahl nicht erstellt werden. Offensichtlich geht der Anstieg der Straftaten bei Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden im Jahr 2015 und insbesondere im Jahr 2016 auf das Konto von Nichtdeutschen. Dies ist schon aufgrund der deutlich gestiegenen Anzahl nicht verwunderlich. Die Kriminologie liefert uns zusätzliche Erklärungen: Die jungen Flüchtlinge sind ganz überwiegend männlichen Geschlechts mit verletzten Biografien und unsicherer Zukunft schon im Hinblick auf ihre Bleibechance in Deutschland.
- Man überhöht die Effizienz von Strafe. Der Glaube an die Effizienz ist ungebrochen, vor allem an die Effizienz von mehr Härte. Verbrecher müssen eingesperrt, die anderen abgeschreckt werden. Dann funktioniert es, dann können wir ruhig schlafen. Das Gegenteil ist der Fall und in vielen empirischen Untersuchungen belegt. Je härter die Strafe, umso größer ist das Rückfallrisiko. Das muss nicht an der Strafe allein liegen; aber es ist eben schwer, im Freiheitsentzug mit anderen Straffälligen und Gefährdern zusammengepfercht den Gebrauch von Freiheit zu lernen. Dementsprechend sehen die Rückfallraten aus (Tabelle 1). Die letzte Rückfalluntersuchung von Jehle u. a. kommt z. T. zu besseren Ergebnissen: Jugendstrafe ohne Bewährung 64,5 % Rückfälligkeit, Jugendarrest 63,7% Rückfälligkeit.5
Die Abschreckungswirkung von hohen Strafen erscheint uns rational denkenden Menschen einleuchtend; wer will schon eine hohe Strafe riskieren. Die Wirkung verpufft aber in den häufig emotionalisierten Tatsituationen junger Menschen, gerade auch bei Gruppendelikten. Die mögliche Strafe wird verdrängt; alle glauben, dass sie nicht erwischt werden. Auch Uli Höneß glaubte dies. Und niemand schaut vor der Tat ins Strafgesetzbuch, welche Strafen drohen, ob etwa die Höchststrafe angehoben wurde. - Man verfolgt nichtrechtskonforme Strafzwecke. Wie bereits ausgeführt, werden Vergeltung und Abschreckung ganz überwiegend und offensichtlich zunehmend als Strafziele anerkannt. Dem steht § 2 Abs. 1 JGG entgegen: „Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken.“
Es mögen noch andere Gründe für überzogene Straferwartungen hinzukommen. Wichtig ist: Überzogene Straferwartungen sind sozialpsychologische Realität. Wissenschaft und Praxis müssen sich damit auseinandersetzen, müssen ihr Fachwissen, kriminologische Erkenntnisse und vor allem die gesetzlichen Vorgaben dem entgegensetzen.
Allerdings gibt der Gesetzgeber diesem gesellschaftspolitischen Strafverlangen immer häufiger nach; das Ultima-Ratio-Prinzip wird missachtet, auch im Jugendstrafrecht. Die Ausweitung der Strafbarkeit im allgemeinen Strafrecht, wie z. B. beim Stalking, lasse ich beiseite, obwohl diese Ausweitung z. T. gerade auch junge Menschen trifft. Eine jugendspezifische Diskussion dieser allgemeinen Strafausweitung ist dringend geboten. Auch will ich die epochale Einführung der Sicherungsverwahrung in das Jugendstrafrecht nicht weiter thematisieren. Nur so viel: Sicherungsverwahrung bedeutet potenziell lebenslanger Freiheitsentzug. Auch wenn diese Sanktionsandrohung höchst selten umgesetzt werden wird, die Sanktionsmaßstäbe werden damit nach oben verschoben.
Drei explizite Beispiele für die Missachtung des Ultima-Ratio-Prinzips im Jugendstrafrecht:
1. Beispiel
Mit dem Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten vom 4.9.2012 wurde die Höchststrafe für Mord bei besonderer Schwere der Schuld auf 15 Jahre ausgeweitet. Der Nachweis einer Notwendigkeit für diese Straferhöhung wurde nicht geführt, geschweige erbracht. Die einzige hierzu vorliegende kriminologische Untersuchung von Holger Schulz aus dem Jahre 2000 hat das Gegenteil ergeben. In dieser von mir betreuten Dissertation wurden alle Urteile gegen Jugendliche und Heranwachsende mit der Höchststrafe von 10 Jahren im Zeitraum 1987 bis 1996 qualitativ analysiert. Es waren 64 Urteile bundesweit, ab 1990 inklusive der fünf neuen Bundesländer. Im Durchschnitt wird also pro Jahr in 6 bis 7 Fällen von einer Verhängung der Höchststrafe Gebrauch gemacht. In den Urteilen fanden sich keine Anhaltspunkte, dass die Gerichte (d. h. die Jugendkammern) eine höhere Strafe, wenn denn gesetzlich erlaubt, für angemessen oder gar für notwendig erachtet haben. Die meisten Verurteilten wurden – soweit zum Zeitpunkt der Untersuchung schon möglich – vorzeitig aus dem Strafvollzug entlassen.6 Auch die Geeignetheit einer so langen Freiheitsstrafe für eine Rückfallvermeidung ist mehr als zweifelhaft. So mutiert diese Strafe zu einer Sicherungsverwahrung; zudem muss die Sogwirkung für eine allgemeine Strafeskalation befürchtet werden.7
2. Beispiel
Mit eben dem Gesetz zur Erweiterung der jugendgerichtlichen Handlungsmöglichkeiten wurde bei Bewährungsstrafen der sog. Warnschussarrest eingeführt – gegen die einhellige Meinung der Kriminologen und der Jugendstrafrechtswissenschaftler. Damit wird ein kurzzeitiger Freiheitsentzug neben der Bewährungsstrafe ermöglicht. Obwohl dieser Warnschussarrest nach dem Willen des Gesetzgebers möglichst zu Beginn der Bewährungszeit vollstreckt werden soll, geschieht dies in der Praxis in der Regel mitten in der Bewährungszeit, wenn der Proband mit Hilfe des Bewährungshelfers – hoffentlich – schon wieder Fuß gefasst hat. Das kann demotivieren, zumal für eine Resozialisierung dieser Straftäter ein längeres, intensives Bemühen erforderlich ist, als es in einem Arrest geleistet werden kann. Im Übrigen ist es ein Irrtum, dass mit dem Arrest, mit der Arrestverbüßung abgeschreckt wird, weil die Straftäter schon mal den Freiheitsentzug am eigenen Leib verspüren. Nach empirischen Untersuchungen wirkt der Arrest zwar, aber er beeindruckt nur in der Zeit der Verbüßung; der Eindruck hält nicht vor. Man gibt sich anschließend großspurig, vor sich selbst und vor seinen Bekannten. Nach Befragungen verliert umgekehrt die Freiheitsstrafe ihren Schrecken, obwohl diese ein viel härteres Kaliber darstellt als der Arrest. Nur das wird verkannt. Ich habe aus diesem Grunde einen Aufsatz mit dem Titel „Warnung vor dem neuen Warnschussarrest“ veröffentlicht.8
3. Beispiel
Mit dem Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17.8.2017 ist das Fahrverbot auch bei Delikten außerhalb des Straßenverkehrs als Nebenstrafe eingeführt worden, wobei die bisherige Höchstdauer von drei Monaten auf sechs Monate angehoben wurde; im Jugendstrafrecht bleibt es bei der Höchstdauer von drei Monaten. Die Strafwirkung eines Fahrverbots soll auch bei Diebstählen, bei Steuerhinterziehung, beim sog. Schwarzfahren etc. verhängt werden. In der Tat: Es trifft den Straftäter empfindlich, wenn der „Lappen“ weg ist. Aber ist das angemessen, ist das geeignet und notwendig, um auf solche Straftaten außerhalb des Straßenverkehrs neben Geldstrafe, neben der Bewährungsstrafe mit Weisungen und Auflagen, bei Jugendlichen und Heranwachsenden neben Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln zu reagieren?
Dagegen steht schon, dass bei Straftätern, die keinen Führerschein haben, diese Strafe des Fahrverbots keinen Sinn macht und wenig Sinn macht, wenn der Täter kein Auto, kein Kraftfahrzeug hat. Wer umgekehrt auf sein Auto angewiesen ist für seinen Beruf, für seine Arbeit, der wird unverhältnismäßig hart bestraft. Wer sich um einen Arbeitsplatz bemüht, für den ein Führerschein Voraussetzung ist, hat keine Chance. Zugleich wird mit einem Allerweltsfahrverbot eine Strafbarkeitsfalle aufgestellt: Wer sich trotz des Verbots ans Steuer setzt, macht sich gemäß § 21 StVG strafbar, obwohl er eine Fahrerlaubnis hat, der Führerschein nur für die Zeit des Fahrverbots eingezogen wurde. Insbesondere bei jungen Menschen, für die das Autofahren, das Fahren mit dem Motorrad zur Freizeitgestaltung gehört, kann das Fahrverbot, das mit der verurteilten Tat in keinerlei Zusammenhang steht und deshalb nur schwer akzeptiert wird, zu einem Aufschaukeln der Kriminalität führen. Nicht jede Strafe ist sinnvoll. Das leitet über zum „richtigen“ Strafen.
III. „Richtiges” Strafen
„Richtiges“ Strafen ist schwer, wenn überhaupt möglich. Da man immer dem einzelnen Angeklagten gerecht werden muss, kann man nur Wegweiser hierfür aufstellen.
1. Das Ziel des Jugendstrafrechts
Hauptwegweiser ist die gesetzliche Zielbestimmung gemäß § 2 Abs. 1 JGG: „Die Anwendung des Jugendstrafrechts soll vor allem erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Rechtsfolgen und unter Beachtung des elterlichen Erziehungsrechts auch das Verfahren vorrangig am Erziehungsgedanken auszurichten.“ Das vorrangige Ziel des Jugendstrafrechts ist die Rückfallvermeidung, und zwar die Vermeidung des Rückfalls des jeweiligen von der Jugendstrafjustiz belangten jugendlichen oder heranwachsenden Straftäters. Offen bleibt nach der Gesetzesformulierung, welche Nebenziele mit dem Jugendstrafrecht angestrebt werden dürfen oder sollen. Derartige Nebenziele werden mit der Formulierung erlaubt, dass die Anwendung des Jugendstrafrechts „vor allem“ erneuten Straftaten eines Jugendlichen oder Heranwachsenden entgegenwirken soll. In der Gesetzesbegründung9 wird zunächst darauf verwiesen, dass nicht immer erzieherisch ausgerichtete Sanktionen in Betracht kommen, dass der Einsatz von Zuchtmitteln auch normverdeutlichenden Charakter hat. Dieser Hinweis betrifft aber die Umsetzung des jugendstrafrechtlichen Ziels der Rückfallvermeidung und eröffnet kein eigenes Nebenziel. Normverdeutlichende Sanktionen dienen dem Ziel der Rückfallvermeidung.
Überzeugender ist der Hinweis auf das Nebenziel des Schuldausgleichs. Dieser wird explizit mit der Verhängung der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld angestrebt, wobei der positiven Generalprävention gedient wird. Dieses Nebenziel „Schuldausgleich im Dienste positiver Generalprävention“ ist aber auf die Verhängung einer Jugendstrafe gemäß § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG zu begrenzen. Weder die Erziehungsmaßregeln noch die Zuchtmittel lassen im Hinblick auf die gesetzliche Zieldefinition noch inhaltlich das Nebenziel eines Schuldausgleichs zu. Weisungen (§ 10 JGG) sowie Hilfen zur Erziehung (§ 12 JGG) sind ausschließlich auf die erzieherische Förderung bzw. Hilfe ausgerichtet. Mit Zuchtmitteln soll dem jungen Straftäter das Unrecht der Tat vor Augen geführt, soll seine Verantwortlichkeit geweckt bzw. gefördert werden. Das ist aber kein Selbstzweck, sondern dient der Individualprävention. Repressiver Mitteleinsatz ist zu unterscheiden von der individualpräventiven Zielsetzung. Das Mittel der Geldbuße, des Arrestes hat repressive Züge, wird aber nicht um der Repression willen, um der Sühne oder des Schuldausgleichs willen verhängt, sondern um den Straftäter damit von einer Wiederholung abzuhalten. Dass damit auch Schuldausgleich bewirkt wird, auch einem Sühneverlangen entsprochen wird, ist Nebeneffekt, aber nicht Nebenziel. Wenn in diesem Zusammenhang in der Gesetzesbegründung auf die Funktion des Schuldprinzips hingewiesen wird, schuldunangemessene Sanktionen auszuschließen, so ist dies eben eine Begrenzungsfunktion, keine Zieldefinition. Eine Begrenzung setzt ein Ziel voraus. Im Übrigen bedeutet jede „Verurteilung“ eine Verantwortungszuschreibung und Inpflichtnahme, was gerade bei jungen Straftätern Gewicht hat, die nicht selten „sich herausreden“, Verantwortung auf andere im Sinne einer Neutralisationstechnik abschieben.10
Uneingeschränkt zuzustimmen ist dem letzten Hinweis in der Gesetzesbegründung auf potenzielle Nebenziele: Ein Nebenziel der Abschreckung anderer potenzieller Straftäter ist im Jugendstrafrecht, wie einhellig in Rechtslehre und höchstrichterlicher Rechtsprechung vertreten wird, nicht zulässig, ganz abgesehen davon, dass eine solche Abschreckung gerade bei jungen Menschen nicht funktioniert. Abschreckung im Sinne einer negativen Generalprävention mag bei nüchtern kalkulierenden Straftätern funktionieren; Straftaten von jungen Menschen werden regelmäßig nicht nüchtern kalkulierend begangen. Auch die positive Generalprävention ist kein ausdrückliches Ziel des Jugendstrafrechts. Insoweit genügt, dass jeder Verurteilung eine Reflexwirkung auf das Rechtsbewusstsein anderer zukommt. Mit jeder jugendstrafrechtlichen Verfolgung eines Normbruchs wird die Rechtsordnung gestärkt.
2. Sanktionsmaßstäbe
Ausgehend vom Gesetzesziel, eine Straftatwiederholung des überführten Jugendlichen/Heranwachsenden zu verhindern, muss die Sanktion im Sinne des Verhältnismäßigkeitsprinzips notwendig, geeignet und angemessen sein. Das ist die rechtsstaatliche Trias: Notwendigkeit, Geeignetheit, Angemessenheit. Für die Maßregeln ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung auch im Erwachsenenstrafrecht vorgesehen (§ 62 StGB). Für diesen einheitlichen Prüfungsmaßstab spricht auch, dass der Gesetzgeber das sog. zweispurige System der Strafen sowie der Maßregeln der Besserung und Sicherung im Jugendstrafrecht zum Teil ausdrücklich aufgegeben hat (vgl. § 5 Abs. 3 JGG). Die Angemessenheitsprüfung deckt sich insoweit mit der Prüfung der Tatschuld, wobei dieser nur eine Begrenzungsfunktion nach oben zukommt. Im Hinblick auf die Notwendigkeit und Geeignetheit der Sanktionen kann unterhalb der Tatschuld reagiert werden.11
2.1 Notwendigkeit einer Sanktionierung – Rückfallprognose
Notwendig ist eine Sanktionierung über die Wirkungen des Ermittlungsverfahrens sowie über außerstrafjustizielle Einflussnahmen hinausgehend, wenn ohne eine strafjustizielle Sanktionierung eine ernste Rückfallgefahr besteht. Hierbei ist konkret nach einer Rückfallgefahr für das abgeurteilte Delikt bzw. die abgeurteilten Delikte zu fragen. Dies verlangt eine Rückfallprognose. Bei allen Schwierigkeiten für eine solche Prognose geht kein Weg daran vorbei, sich rational auf diese Fragestellung einzulassen. Bei schwerwiegenden Straftaten kann ein Sachverständiger helfen, bei weniger schwerwiegenden Straftaten müssen Staatsanwaltschaft und Gericht sowie Verteidigung und Jugendgerichtshilfe sich die kriminologischen Erkenntnisse und Erfahrungen zunutze machen. Insbesondere die Jugendgerichtshilfe ist hier gefordert; ein Sanktionsvorschlag setzt eine Rückfallprognose voraus. Folgende Faktoren sind für die Rückfallprognose abzuwägen (Tabelle 2).12
Die Gegenüberstellung von kriminogenen und kriminoresistenten (Kriminalität verhindernden) Faktoren, von Risikofaktoren und Schutzfaktoren erleichtert die richtige Entscheidung, da allein negativ ausgerichtete Prognosetafeln in der Tendenz zu ungünstigeren Ergebnissen führen. Außerdem kann sich eine nur an Defiziten orientierte Beurteilung des Jugendlichen/Heranwachsenden negativ auf sein Selbstbild und hinderlich für eine positive Entwicklung auswirken. Hierbei wird regelmäßig nur ein Übergewicht, selten werden alle negativen oder positiven Faktoren festzustellen sein. Insofern ist auf der einen Seite vor überzogenen Erwartungen zu warnen, auf der anderen Seite dürfen die Schwierigkeiten einer Prognose nicht zu ihrer Verweigerung führen.13 Entscheidend ist nach der Tübinger Langzeituntersuchung14 der Freizeitbereich: Eine strukturlose und überzogene Freizeitgestaltung, d. h. ein planloser Zeitvertreib auf Kosten der Leistungszeit mit unrealistischen Erwartungen und unsteten Bindungen, ist ein Warnsignal für Rückfälligkeit. Aktuelle Entwicklungen, z. B. Konsolidierung der Lebensverhältnisse nach der Tat, haben Vorrang vor früheren negativen Anzeichen.15 Da ein Rückfallrisiko niemals ausgeschlossen werden kann, muss für eine Sanktionierung eine nahe liegende Möglichkeit des Rückfalls festgestellt werden. Ansonsten ist das Verfahren gemäß den §§ 45, 47 JGG einzustellen bzw. mit einer symbolischen Bestrafung („Verwarnung“ gemäß § 14 JGG) abzuschließen.
Rechtsstaatliche Vorsicht ist insbesondere bei – negativer – Verwertung früherer Verfahrenseinstellungen geboten. Der Tat- und Schuldnachweis wird bei Einstellungen gemäß § 45 JGG nur auf der Grundlage polizeilicher Ermittlungen geführt. Dass Geständnisse auch falsch sein können, ist gerade bei jungen Menschen ein Phänomen.16 Insbesondere sind auch Straftaten aus Kindeszeiten, über die in den Ermittlungsakten berichtet wird, kritisch zu würdigen, da insoweit häufig nur Verdachtsumstände mitgeteilt werden.
2.2 Eignung der Sanktion – Sanktionsprognose
Hinsichtlich der Eignung einer Sanktion ist danach zu fragen, mit welcher Sanktion die negativen Bedingungen für die Straftat im Sinne einer Individualprävention beseitigt werden können bzw. ihnen entgegengetreten werden kann. Bestimmte repressive Sanktionen können für die Zukunft abschrecken, bestimmte therapeutische Sanktionen können Hilfestellungen geben, bestimmte freiheitsentziehende Sanktionen können die zeitweilige Sicherung der Gesellschaft bewirken. Die Einteilung des Gesetzgebers in Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe gibt hierbei wenig Hilfestellung. Allerdings darf von Gesetzes wegen mit Erziehungsmaßregeln keine – individuelle – Abschreckung angestrebt werden (siehe § 10 Abs. 1 Satz 1 JGG in Vergleich zu § 13 Abs. 1 JGG). Insbesondere bei freiheitsentziehenden Maßnahmen sind auch deren negative Wirkungen für eine Reintegration des Täters zu berücksichtigen. Ich verweise auf die vorgestellten Rückfallquoten. Demgegenüber haben Strafaussetzung zur Bewährung und die vormals „neuen ambulanten Maßnahmen“ (sozialer Trainingskurs, Betreuungsweisung, Täter-Opfer-Ausgleich) erheblich bessere Ergebnisse, auch wenn die Ergebnisse wegen der unterschiedlichen kriminogenen Belastung der Verurteilten nur schwer vergleichbar sind. Die Bewährungshilfe hat aber in den letzten Jahren zunehmend Probanden aufgenommen, die früher zu einer Jugendstrafe verurteilt wurden; ihre Klientel ist „schwieriger“ geworden. Trotzdem ist die Widerrufsquote gesunken, wobei allerdings Bewährungsentscheidungen im „Altverfahren“ auch in Entscheidungen wegen neuer Straftaten gemäß § 31 Abs. 2 JGG einbezogen werden.
Ein solcher Sanktionenvergleich darf nicht so verstanden werden, dass die eingriffsintensiveren Sanktionen immer eine schlechtere Erfolgsquote aufweisen, und auch nicht so, dass im Arrest- bzw. Jugendstrafvollzug qualitativ schlechtere Arbeit geleistet wird als von den Bewährungshelfern und in der ambulanten Vollstreckung. Unterschiedliche Ausgangspositionen (Vorbelastungen, soziale Randständigkeit) und unvermeidbare Nebeneffekte (verminderte Chancen in der Arbeitswelt, verstärkte Kontakte zum kriminellen Milieu, Stigmatisierung) wirken sich auf die Ergebnisse aus.17 Es gilt vielmehr nüchtern die Begrenztheit positiver Wirkungen von (jugend-)strafrechtlichen Sanktionen zu erkennen, die zu der Schlussfolgerung „im Zweifel weniger“ führen.18 Nur mit diesem Ergebnis erscheint die These von der Austauschbarkeit der Sanktionen akzeptabel.19
2.3 Angemessenheit der Sanktion
Auch das Jugendstrafrecht ist Tat-Täter-Strafrecht, d. h. die Sanktion muss der Tat angemessen sein. Obwohl die Strafrahmen des Erwachsenenstrafrechts nicht gelten, geben diese erste Hinweise für die Angemessenheitsprüfung. Ebenso sind Reduzierungen des Strafrahmens im Erwachsenenstrafrecht (z. B. §§ 13 Satz 2, 17 Satz 2, 21, 27 Abs. 2 Satz 2 jeweils i. V. m. § 49 StGB) sowie Strafmilderungen im Besonderen Teil des StGB zu berücksichtigen. Dazu gehören auch besondere Folgen der Sanktionierung, wie eine bereits angeordnete bzw. angedrohte Ausweisung von Ausländern.20 Zusätzlich legt das jugendliche Alter vielfache Exkulpationen nahe: Unerfahrenheit, spielerischer Umgang, Selbstbestätigung innerhalb und außerhalb einer Gruppe, Verführung.21 Dem entspricht eine kriminalpolitisch orientierte Schuldlehre.22 Auch bedeuten Strafen für Jugendliche im Vergleich zu Erwachsenen, die häufig schicksalserfahren sind, tendenziell eine härtere Sanktion. Dies gilt insbesondere für den Freiheitsentzug, da damit einmal der jugendliche Freiheitsdrang gestört wird, ein andermal wegen des Mangels an Zeiterfahrung dieser Freiheitsentzug als Ewigkeit erlebt wird.23 Erst recht darf das Jugendgericht nicht fiktive Strafen nach dem Erwachsenenstrafrecht bilden und sich hieran orientieren, da damit die Gefahr begründet wird, dass die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers unterlaufen wird.24
Auch darf eine geringere Strafempfindlichkeit zu keiner härteren Sanktionierung führen als sonst für andere Angeklagte als angemessen angesehen würde. Eine geringere Strafempfindlichkeit bzw. Strafempfänglichkeit für individualpräventive Sanktionen könnte für Angeklagte aus fremden Kultur- und Rechtskreisen mit einer deutlich härteren Strafpraxis oder bei Angeklagten, die durch eine autoritäre Erziehung an harte Strafen gewohnt sind, angenommen werden.25 Die Berücksichtigung der Strafempfindlichkeit über den Strafzweck des Schuldausgleichs gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 StGB26 scheidet im Jugendstrafrecht aus, weil es hier nicht um einen Schuldausgleich geht. Eine Berücksichtigung über das maßgebliche Strafziel der Individualprävention könnte zwar einer nachhaltigen Normverdeutlichung dienen. Dem steht aber ebenso unter dem Gesichtspunkt der Individualprävention entgegen, dass eine so verschärfte Sanktionierung dem Gerechtigkeitsempfinden der Betroffenen im Hinblick auf Gleichbehandlung widersprechen und damit gerade einer individualpräventiven Ansprache der jeweiligen Sanktion entgegenstehen würde. Ein „Abblocken“ wäre die Folge, abgesehen von der tendenziellen Unmöglichkeit, die Strafempfindlichkeit/Strafempfänglichkeit zu messen und ein so festgesetztes Maß in eine höhere Sanktionierung umzusetzen. Das Problem der nicht erfüllten höheren Straferwartung bestimmter Angeklagter muss zunächst in der Urteilsbegründung „angepackt“ werden, d. h. dem Verurteilten müssen die Maßstäbe unseres Sanktionenrechts verdeutlicht werden. Da dies in einer Hauptverhandlung nur ansatzweise möglich erscheint, müssen anschließend das Strafmaß und seine Begründung im Rahmen der Strafvollstreckung/des Strafvollzugs von der jeweils zuständigen Instanz (Jugendgerichtshilfe, Jugendarrestanstalt, Jugendanstalt) erklärt werden. Ungerechte, da unangemessene Straferwartungen dürfen nicht das Strafmaß beeinflussen; ansonsten würde das Strafurteil selbst ungerecht. Zum richtigen Strafen gehört die richtige Kommunikation. Aber das ist ein eigenständiges Thema. Nur so viel: Die geforderte sozialkompensatorische Verhandlungsführung darf die justizielle Funktion und die justizielle Strafmacht nicht verdecken.
IV. Intensivtäter – Belastungsprobe für „richtiges” Strafen
Sog. Intensivtäter bereiten der Jugendstrafjustiz die größten Probleme. Dementsprechend stellen diese Täter eine Belastungsprobe dar für die aufgestellten Wegweiser für „richtiges“ Strafen.
1. Definition „Intensivtäter”
Nach kriminologischer Einschätzung ist „eine relativ kleine Gruppe von Intensivtätern für einen großen Teil der Gesamtkriminalität verantwortlich (5 % für 30 bis 50 % der Delinquenz)“. Der Begriff des „Intensivtäters“ selbst ist gesetzlich nicht definiert und wird in der Strafverfolgungspraxis von der Polizei unterschiedlich verwendet, ebenso der zeitlich vorverlagernde Begriff des „Schwellentäters“. Schon die Begrifflichkeit ist uneinheitlich. So sprechen Walter und Neubacher weniger stigmatisierend von Mehrfachauffälligen. Ebenso wird in der Polizeilichen Kriminalstatistik von Mehrfachauffälligen gesprochen.27 In Schleswig-Holstein wird von Seiten der Polizei von einem Intensivtäter ausgegangen, „wenn in einem Zeitraum von 12 Monaten unabhängig vom Kalenderjahr fünf oder mehr Delikte insgesamt oder zwei und mehr Gewaltdelikte begangen wurden“. Vom Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen werden Tatverdächtige zu den Intensivtätern gerechnet, „bei denen in einem Kalenderjahr mindestens zwei voneinander unabhängige Ermittlungsverfahren anhängig waren und denen bezüglich dieses Jahres fünf oder mehr Straftaten zur Last gelegt wurden“.
Dementsprechend werden die polizeilichen „Feststellungen“ zugrunde gelegt, was im Hinblick auf die Unschuldsvermutung und ihre alleinige Widerlegung durch ein richterliches – rechtskräftiges – Urteil (Art. 6 Abs. 2 EMRK) höchst problematisch ist. Täterschaft bedarf einer gerichtlichen Feststellung, Polizei kann nur Tatverdächtige benennen. So kann schwerlich die Gefahr geleugnet werden, dass mit der polizeilichen Einstufung als „Intensivtäter“ die gerichtliche Sanktionsentscheidung zum Nachteil des Angeklagten mitbestimmt wird. Demgegenüber ist festzuhalten, dass Straftaten, über die ein Gericht noch nicht rechtskräftig entschieden hat, nicht verwertet werden dürfen. Die Unschuldsvermutung muss in der gesetzlich vorgeschriebenen Form widerlegt werden.
2. Intensivtäterschaft kein Kontinuum
Intensivtäter stehen aus gutem Grund unter besonderer Beobachtung der Polizei. Es werden Intensivtäterdateien angelegt, Akten erhalten den Aufkleber „Intensivtäter“. Intensivtäter werden demgemäß häufiger von Ermittlungsmaßnahmen erfasst. Klaus Boers hat in diesem Zusammenhang wiederholt auf die damit verbundene Eigendynamik der strafrechtlichen Kontrolle mit der Gefahr einer Sanktionseskalation hingewiesen, dies vor dem Hintergrund, dass die Hälfte bis zwei Drittel der zum Ende des Kindesalters intensiven Täter noch im Jugendalter das Begehen von Straftaten weitgehend beenden (sog. frühe Abbrecher) und dass bei den verbleibenden Intensivtätern die Delinquenzentwicklung ab Mitte der dritten Lebensdekade abbricht.28 Auch bei dieser Tätergruppe gilt es also, Ausstiegsmöglichkeiten (Turning-Points) zu beachten. Dies erfordert ein genaues Hinsehen auf die Entwicklung dieser Täter, ob sich Verfestigungen zeigen oder Anzeichen für eine Beendigung der Straftatenserie.
3. Kein Strafverschärfungsautomatismus
Das Intensivtäterlabel wird erst im Laufe der Zeit festgelegt. Von vornherein ist eine solche Entwicklung nicht feststellbar. Dementsprechend heißt es im Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 2006: „Die Erwartung, diese Gruppe prospektiv, also zu Beginn ihrer Karriere bereits erkennen und im Sinne eines ‘selective incapacitation‘ die Gesellschaft vor diesen Menschen schützen zu können, ist empirisch nicht haltbar“ (S. 34). Da Jugendstrafjustiz immer erst schrittweise diese Entwicklung nachvollzieht, besteht die Gefahr des Strafverschärfungsautomatismus. Einem solchen Automatismus muss widersprochen werden, da damit der unterschiedlichen Entwicklung dieser Täter nicht entsprochen wird und den eigentlichen Ursachen dieser Entwicklung nicht mehr nachgegangen wird. Eine solche Erkenntnis ist nicht neu. Carl Josef Anton Mittermaier, ein Strafrechtsvordenker des 19. Jahrhunderts, hat bereits 1829 anschaulich formuliert: „Wenn ein Arzt nur durch gewisse Universalrezepte kuriren, und in dem Glauben an die Allmacht eines Heilmittels immer die nämliche Arznei anwenden wollte, ohne zu fragen, wie bisher das gerühmte Mittel gewirkt habe, wenn er bei einem Kranken, der durch eine Arznei nicht geheilt werde, nichts weiter als eine Verdopplung und allmählige Steigerung der Dosis des nämlichen Heilmittels anordnen wollte, so würde mit Recht eine schlechte Meinung von der Geschicklichkeit eines solchen Arztes begründet werden.“29
Schärfere Sanktionen versprechen nicht ohne Weiteres eine höhere Effizienz nach einer fehlgeschlagenen Sanktionierung. Der Fehler kann auch in der bisherigen Sanktionierung liegen bzw. darin, dass die Ursachen der Kriminalitätsentwicklung (z. B. Probleme im Elternhaus, Drogenkonsum) noch nicht entdeckt worden sind. Insbesondere dürfen persönliche Enttäuschungen der Strafrechtsanwender nicht zu einer Strafeskalation führen: „Eine Sanktionierung nach dem Prinzip des Strengerwerdens hat im besten Fall keinen, im schlimmsten Fall einen negativen Effekt auf die Legalbewährung der jungen Menschen.“30 Dann haben wir einen Fall der Strafenresistenz.
Das Label „Intensivtäter“ darf nicht dazu führen, die vorgestellten Wegweiser für das „richtige“ Strafen zu ignorieren: Wir müssen hier erst recht die Gründe für die wiederholten Taten eruieren, die aktuelle soziale Situation des Täters und seine voraussichtliche Weiterentwicklung analysieren bzw. prognostizieren (Rückfallprognose) und versuchen, hierauf unter Ausschöpfung des Sanktionsinstrumentarismus angemessen zu reagieren (Sanktionsprognose und Angemessenheitskriterium).
Im Übrigen: Das Problem ist nicht neu. Wilhelm Busch hat mit Max und Moritz Prototypen von Intensivtätern skizziert – so mein Beitrag in der Festschrift für Franz Streng. Das Ende von Max und Moritz ist grausam:
„Rickeracke! Rickeracke!
Geht die Mühle mit Geknacke.
Hier kann man sie noch erblicken
Fein geschroten und in Stücken.
Doch sogleich verzehret sie
Meister Müllers Federvieh.“
Dies kann für uns kein Vorbild sein. Busch wollte auch keineswegs die Todesstrafe für derartige Kinder propagieren. Er wollte die kleinbürgerliche Moral zum Umgang mit Bösewichtern damaliger Zeit demaskieren, das Lachen, die Schadenfreude sollte den Lesern gleichsam im Halse stecken bleiben.
4. Rechtzeitige Reaktion gerade bei Intensivtätern
Wir können aber noch eine weitere Lehre aus der „Bubengeschichte in sieben Streichen“ ziehen. Wenn bei Max und Moritz die ersten Streiche entdeckt worden wären und Verfahren bei der Polizei, bei den Fürsorgebehörden – wie es damals hieß – eingeleitet worden wären, wäre vermutlich diese Serie unter- bzw. abgebrochen worden. Entscheidend erscheint die Unterbrechung der Straftatenserie, dass also die Betroffenen überhaupt Reaktionen von Polizei und Justiz, von Jugendämtern und primär von Eltern und aus dem sozialen Umfeld erfahren. Die Aufdeckung der Tat ist die erste Prävention. Nachfolgend sind die Verfahren beschleunigt durchzuführen. Insoweit ziehe ich mit Franz Streng an einem Strang: „Denn bei vorliegenden Erziehungsbedürfnissen schwächt jedes Zögern die Effizienzpotentiale einer Intervention; angesichts von sich entwickelnden Rationalisierungs- und Verdrängungsstrategien behindert lange Verfahrensdauer auch den Effekt von ahndender Sanktionierung.“31 Auch wenn ein empirischer Nachweis schwer zu führen ist, erscheint es zumindest plausibel, dass eine Verfahrensbeschleunigung der Individualprävention dient,32 ohne dass damit ein „kurzer Prozess“ legitimiert werden darf.33 Ich habe darüber hinaus zusammenfassend fünf Gründe für eine Verfahrensbeschleunigung formuliert:
- Ein allzu langes Zuwarten erschwert die Beweisführung.
- Ein allzu langes Zuwarten kann weitere Straftaten des Beschuldigten sowie in seinem sozialen Umfeld begünstigen.
- Ein allzu langes Zuwarten vermindert die Effizienz der späteren Sanktionierung.
- Ein allzu langes Zuwarten stellt eine unnötige Belastung für junge Menschen dar.
- Ein allzu langes Zuwarten widerspricht den Opferinteressen.34
Wenn so verfahren würde, hätten meine Wegweiser für „richtiges“ Strafen die Belastungsprobe bestanden.
V. Fazit
Abschließend müssen wir uns eingestehen, dass wir manchmal hilflos sind und es eigentlich keine „richtige“ Entscheidung über die Strafe gibt. Es gilt dann, möglichst wenig falsch zu machen, zumindest mit der Strafe keine sog. kriminelle Karriere zu verfestigen – also im Zweifel weniger an Strafe, um mögliche positive Änderungen beim Täter, bei seinen Lebensumständen nicht zu verbauen, und mehr an Hilfe und Unterstützung. Es gilt Maß zu halten, denn Maßlosigkeit im Umgang mit Kriminalität schafft neues Unrecht. Maßhalten ist ein Ausdruck des Ultima-Ratio-Prinzips.
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Zitiervorschlag: Heribert Ostendorf, Jugendstrafrecht – Ultima Ratio der Sozialkontrolle junger Menschen. Falsche Straferwartungen und „richtiges Strafen“, in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 1, S. 3-14.
- Aktualisierte Fassung des Vortrags auf dem 30. Deutschen Jugendgerichtstag 2017 in Berlin, Erstveröffentlichung in: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe 2017, S. 332 ff.[↩]
- Hierzu näher Ostendorf & Drenkhahn, 2023, Rn. 297.[↩]
- Die verstörte Gesellschaft, Zeit online vom 15.12.2005.[↩]
- R+V Versicherung (Hrsg.), Die Ängste der Deutschen, 2016; Faigle/Hamann, Jeder sechste Deutsche hat sein Alltagsverhalten verändert, Zeit online vom 28.1.2016.[↩]
- Jehle et al., 2016, S. 63.[↩]
- Schulz, 2000, S. 217 ff.[↩]
- So auch Swoboda, 2013, S. 110.[↩]
- Ostendorf, 2012, S. 608 ff.[↩]
- BT-Drs. 16/6293, S. 9, 10.[↩]
- Sykes & Matza, 1968, S. 365 ff.[↩]
- Siehe auch das Prüfungsschema von Petersen, 2008, S. 227, in dem aber eine – reduzierte – Prüfung der Schuldangemessenheit ihren Platz behält; nach Streng, 2020, Rn. 247, gilt das Verhältnismäßigkeitsprinzip für die Sanktionen unterhalb der Jugendstrafe, für diese selbst das Tatschuldprinzip; nach Meier, Bannenberg & Höffler, 2019, § 6 Rn. 17, wird das Schuldprinzip durch die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne, sprich Angemessenheit, ersetzt; für Lenz, 2007, S. 217, ist das Schuldprinzip im Jugendstrafrecht die sachbereichsspezifische Konkretisierung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne; anderer Meinung Kreuzer, 2002, S. 2351, der eine parallele Bestimmung zu § 46 Abs. 1 StGB im Jugendstrafrecht fordert.[↩]
- Siehe auch den umfangreichen Kriterienkatalog bei Bock, 2008, S. 271 ff. Zu Mindestanforderungen für Prognosegutachten siehe Boetticher, Kröber et al., 2006, S. 537 ff.[↩]
- Zum „Richtungskampf“ zu MIVEA (Methode der idealtypisch-vergleichenden Einzelfallanalyse) siehe auf der Seite der nachdrücklichen Befürworter Bock, 2008, § 15; ders. 2006, S. 282; Wulf, 2006, S. 147; Meier, Bannenberg & Höffler, 2019, § 6 Rn. 36 ff.; auf der Seite der nachdrücklichen Kritiker Graebsch & Burkhardt, 2006, S. 140; dies. 2008, S. 327; Meier, 2016, § 7 Rn. 37. Zur praktischen Anwendung in der Strafrechtspflege siehe Oetting, 2008, S. 124 ff.[↩]
- Göppinger, 1983, S. 163, 170.[↩]
- BGH, StV 2013, S. 758.[↩]
- Sommerfeld, in: Ostendorf, 2021, § 45 Rn. 14 m. w. N.[↩]
- Eine Zusammenstellung über die Wirkungsforschung jugendkriminal-rechtlicher Sanktionen gibt Heinz, 2007, S. 495 ff.[↩]
- Löhr, 1992, S. 579 ff.; Kerner, 2008, S. 51.[↩]
- In diesem Sinne Streng, 2007, S. 65 ff., 92.[↩]
- Wie hier Buckolt, 2009, S. 274.[↩]
- BGH, StV 1984, S. 30.[↩]
- Roxin, 1974, S. 171 ff.[↩]
- Schüler-Springorum, 1985, S. 1133.[↩]
- Ebenso BGH, StV 1998, S. 333.[↩]
- Zu einer entsprechenden Praxis siehe Buckolt, 2009, S. 266, 267.[↩]
- So die h. M. im Erwachsenenstrafrecht, aber nur zur Reduzierung von Schuld siehe BGH, StV 1989, S. 152 bei einer stark belastenden, schweren Erkrankung, BGH, StV 1990, S. 259 bei geringer Straferwartung; Kinzig, in: Schönke & Schröder, 2019, § 46 StGB Rn. 54 m. w. N.; anderer Meinung Streng, 2012, Rn. 562, 563, der aber nur eine Berücksichtigung über den Schuldausgleich ablehnt.[↩]
- PKS 2013, S. 109.[↩]
- Boers, 2012, S. 272.[↩]
- Mittermaier, 1829, S. 154.[↩]
- Heinz, 1996, S. 118.[↩]
- Streng, 2020, Rn. 123.[↩]
- So auch Schatz, 2015, S. 807; demgegenüber hält Dünkel, 2015, S. 275 die vermutete Annahme, eine unmittelbare Reaktion sei erzieherisch bzw. pädagogisch günstig, für einen Mythos. Plewig, 2015, S. 681 warnt vor schnellen repressiven Sanktionen ohne „pädagogischen Bezug“.[↩]
- Dünkel, 2015, S. 272.[↩]
- Ostendorf & Drenkhahn, 2023, Rn. 62.[↩]