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BGH: Ablehnung einer Schöffin wegen Besorgnis der Befangenheit

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Sachverhalt: Die Schöffin J. teilte dem Vorsitzenden nach Verlesung der Anklage mit, der Angeklagte (A.) sei ehemaliger Partner ihrer „angeheirateten Nichte“, den sie auf Familienfeiern fünf- bis sechsmal getroffen und sich mit ihm unterhalten habe. Die Beziehung zwischen „Nichte“ und A. sei beendet, ihr letzter persönlicher Kontakt über drei Jahre her. Danach erklärte der Verteidiger, das Tatfahrzeug gehöre der „Nichte“; sie habe aber nicht gewusst, wofür A. das Fahrzeug benutzt habe. Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft lehnte die Schöffin wegen des „Verwandtschaftsverhältnisses“ ab. In der dienstlichen Äußerung bestätigte die Schöffin die Bekanntschaft zum A. Die Kammer wies den Antrag und die Selbstanzeige der Schöffin als unbegründet zurück. Mangels enger persönlicher Beziehung der Schöffin zum A. bestehe keine Besorgnis der Befangenheit. Das LG hat A. wegen Vergehen gegen das BtMG zu Freiheitsstrafe von zwei Jahren zur Bewährung verurteilt. Die Rüge der Staatsanwaltschaft, die Ablehnung der Schöffin wegen Besorgnis der Befangenheit sei zu Unrecht verworfen worden, führt zur Aufhebung des Urteils.

Gründe: Die Ablehnung eines Richters ist gerechtfertigt, wenn Grund zu der Besorgnis besteht, dass er gegenüber dem Sachverhalt oder einem Beteiligten nicht unvoreingenommen und unparteilich ist. Grundsätzlich ist von der Fähigkeit des Richters auszugehen, sich von Befangenheit freizuhalten. Gleichwohl können persönliche Beziehungen zu Angeklagten, Verletzten oder Zeugen je nach Intensität und Sachlage die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn eine besonders enge Beziehung vorliegt bzw. ein besonderer Zusammenhang mit der Strafsache besteht. Allein in der persönlichen Bekanntschaft der Schöffin zu A. ist kein Befangenheitsgrund zu sehen. Es fehlt bei lediglich fünf oder sechs Begegnungen mit kurzen Unterhaltungen – zuletzt vor mehr als drei Jahren – bei nur indirekter persönlicher Beziehung aufgrund der inzwischen beendeten Partnerschaft der „Nichte“ an der erforderlichen Intensität der Beziehung.
Es ergeben sich aber besondere Umstände daraus, dass die persönliche Beziehung der Schöffin zur „Nichte“ einen Zusammenhang zu der Strafsache aufweist. Die Nichte war Eigentümerin des zur Btm-Einfuhr genutzten Tatfahrzeugs. Zwar lässt die Eigenschaft der „Nichte“ als Zeugin eine Befangenheit noch nicht ohne Weiteres besorgen. Dem steht bei der Schwägerschaft dritten Grades (§ 1590 BGB) § 22 Nr. 3 StPO (Ausschluss, wenn „bis zum zweiten Grade verschwägert“) entgegen. Der enge Bezug zu der Strafsache durch den Pkw als Tatmittel berührt aber das Verhältnis der J. zum A. dergestalt, dass sie Interesse daran haben könnte, dass zwischen der Btm-Einfuhr und der „Nichte“ keine Verbindung hergestellt und diese nicht zu einer potenziell Tatbeteiligten wird. Damit war die Besorgnis gerechtfertigt, der Schöffin fehle die erforderliche Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit.

Link zum Volltext der Entscheidung


Zitiervorschlag: BGH: Ablehnung einer Schöffin wegen Besorgnis der Befangenheit, in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 4, S. 160-161.

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