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Facebook-Blitzumfrage zu Einsätzen von Schöffinnen und Schöffen im ersten Jahr der Amtsperiode

Von Hasso Lieber, PariJus

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In LAIKOS Journal Online Ausgabe 3/2024 wurde die im Vergleich zu den früheren Wahlen erneut wachsende Zahl der Schöffen dargestellt.1 Erste mögliche quantitative Auswirkungen dieser Zunahme zeigten sich bei einer Blitzumfrage im November 2024 auf der Facebook-Seite „Ehrenamtliche Richter“. Eine Hauptschöffin hatte bis Ende Oktober 2024 nur 2 von 13 der zum Jahresbeginn ausgelosten und zugewiesenen Termine. Gefragt wurde nach ähnlichen Erfahrungen. Insgesamt äußerten sich 41 Schöffen, davon 30 Haupt- und 11 Ersatzschöffen.

In 4 Fällen waren den Hauptschöffen mit der Jahresübersicht lediglich 9 bzw. 10 potenzielle Hauptverhandlungen mitgeteilt worden. Da das „Parken“ von Schöffen während eines Geschäftsjahres nach der Rechtsprechung des BGH zum gesetzlichen Richter unzulässig ist, ergo alle Hauptschöffen ausgelost werden müssen, sind an diesen Gerichten ein Sechstel bis ein Drittel mehr Schöffen gewählt worden, als nach dem Maßstab des § 43 Abs. 2 GVG (nicht mehr als 12 ordentliche Sitzungstage) erforderlich wären. 6 Hauptschöffen waren bis zur Umfrage noch zu keiner einzigen Hauptverhandlung geladen worden. Grund dafür kann sein, dass andere Hauptverhandlungen länger gedauert haben und daher für diese betreffenden Schöffen an den für sie ausgelosten Tagen keine neue Verhandlung begonnen hat. Eine Schöffin versah ihre Antwort mit der süffisanten Bemerkung, ob an ihrem Gericht überhaupt gearbeitet würde; eine andere befürchtete, vergessen worden zu sein. Daraus ist wiederum zu schließen, dass es nicht unbedingt üblich ist, die Schöffen in einer der mitteleuropäischen Höflichkeit genügenden Weise über den Ausfall einer Hauptverhandlung – oder gar dessen Grund – zu informieren. Offenbar betrachten manche Gerichte die Schöffen nicht als zur Mitwirkung und Entscheidung berufene Richter, sondern als bloße Verfügungsmasse. 10 Hauptschöffen hatten bis zum Ende des zehnten Monats nicht mehr als 2 Ladungen zu einer Hauptverhandlung erhalten, weitere 9 wurden zu maximal 6 Hauptverhandlungen geladen. 5 Hauptschöffen berichteten von mehr als 6 Ladungen; davon hatten 2 bereits 10 und einer hatte 9 Einsätze.

Von den Ersatzschöffen war einer noch gar nicht und 8 waren bis zu dreimal zum Einsatz gekommen. 2 Ersatzschöffinnen hatten bis zum Oktober bereits 6 bzw. 7 Einsätze hinter sich. Die Ersatzschöffin mit 7 Einsätzen berichtete von einer schmunzelnden Bemerkung der Vorsitzenden, sie häufiger zu sehen als manchen Hauptschöffen. Bei solchen Erfahrungen von Praktikern drängt sich die Frage auf, ob alle Schöffen bei ihrer Bewerbung die auf sie zukommende Belastung realistisch – oder überhaupt – eingeschätzt haben.

Natürlich sind diese Zahlen im Hinblick auf die Gesamtzahl der Schöffen nicht repräsentativ. Für die Zahl der 764 Facebook-Teilnehmer stellen sie mit über 5 % einen durchaus repräsentativen Schnitt dar. Es regt schon zum Nachdenken an, wie die Berechnungen zum Bedarf der erforderlichen Schöffen durchgeführt worden sind. Sinkende Fallzahlen bei den Gerichten, steigende Schöffenzahlen, geringe Einsätze, dazu das Durchwinken großer Bewerberzahlen an die Schöffenwahlausschüsse lassen nicht darauf schließen, dass im Spektrum der Eignungsvoraussetzungen von Lebenserfahrung bis Verfassungstreue große Sorgfalt auf die Rekrutierung zum Amt befähigter Personen gelegt wurde.2 Es ist an der Zeit, dass sich Gesetzgeber und Innen- wie Justizverwaltungen bis zur nächsten Schöffenwahl strukturelle Gedanken machen. (hl)


  1. Hasso Lieber, Hauptschöffen der Amtsperiode 2024 bis 2028 – Gesamtzahl und Anteile von Frauen und Männern, in: LAIKOS Journal Online 2024, S. 116-120. ↩︎
  2. Vgl. Hasso Lieber, Analyse der Schöffenwahl 2023 anhand einer repräsentativen Umfrage, LAIKOS Journal Online 2024, S. 100-115. ↩︎

Zitiervorschlag: Hasso Lieber, Facebook-Blitzumfrage zu Einsätzen von Schöffinnen und Schöffen im ersten Jahr der Amtsperiode, in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 4, S. 156.

Über die Autoren

  • Geschäftsführender Gesellschafter PariJus gGmbH, Rechtsanwalt, Staatssekretär a. D., Generalsekretär European Network of Associations of Lay Judges, 1993–2017 Vorsitzender Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter e. V., 1989–2022, Heft 1 Redaktionsleitung „Richter ohne Robe“

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