J. Ringwald: Digital. Kriminell. Menschlich.
Jana Ringwald: Digital. Kriminell. Menschlich. Eine Cyber-Staatsanwältin ermittelt. Hamburg: Murmann Publishers 2024.212 S., Print-Ausg.: ISBN 978-3-86774-800-1, € 25,00; E-Book € 20,99
„Wenn das Verbrechen mit der Zeit geht, muss die Justiz mitgehen“, beschreibt der Verlag die Intention dieses Buches. Und die Betroffenen müssen die Taten verstehen, um sich dagegen schützen zu können. Dieser Aufgabe hat sich das Buch gestellt.
Cyberkriminalität gehört inzwischen zum Alltäglichen, ohne dass wir die Zusammenhänge und die Absichten, die auf uns gerichtet sind, rechtzeitig erkennen oder gar verstehen können. Man muss der Autorin bescheinigen, dass sie nicht nur Geschichten über digital indizierte Kriminalität erzählt, sondern ganz nebenbei und eingängig Wissen über die Grundlagen des Ermittlungsverfahrens und der Hauptverhandlung vermittelt. Dabei spart sie nicht mit kritischen Blicken auf das eigene Lager, etwa wenn sie in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren kein praxisgerechtes Bild der Rolle der Staatsanwaltschaft feststellen kann. Schöffen machen ähnliche Erfahrungen – spiegelt doch die sie betreffende Nr. 126 der Richtlinien und der darin für sie enthaltene Informationsanspruch allzu häufig nicht die Realität wider.
Wer ein mit technischen Details vollgestopftes Buch erwartet, wird enttäuscht. Vielmehr wird ein Bild gezeichnet, dass den digital versierten Straftäter nicht anders zeichnet als den analogen Betrüger oder Dieb. Vielleicht besser gekleidet, mit einem teureren Verteidiger, abgehobener in der Wortwahl – wenn er sich denn überhaupt äußert. Ansonsten ist er raffgierig wie seine analogen Ahnen. Natürlich stellen sich auch im Strafprozess neue Formen des Vorgehens. Wir erkennen, dass jeder von uns permanent Datenspuren hinterlässt, die Rückschlüsse auf das Verhalten zulassen. Das Problem ist, inwieweit die Erhebung und Verwertung dieser allgegenwärtigen Daten zulässig sein darf, um nicht in dem Bemühen der Überführung des Straftäters die Freiheitsrechte anderer, gesetzestreuer Bürger zu gefährden. Cyberkriminalität ist eine moderne Form strafbaren und vor allem gemeinschädlichen Verhaltens, bei dem hochintelligente, gleichwohl gewissenlose Täter z. B. zentnerweise Drogen über den halben Kontinent via Darknet verkaufen, ohne jemals ein „Tütchen“ in der Hand gehabt zu haben und so Distanz zur Einsicht in das Verbotene des Tuns und zum Bewusstsein schuldhaften Handelns entwickeln. Die Autorin verbindet die Darstellung moderner Formen von Kriminalität, ihrer Aufklärung und Sanktionierung bei aller gebotenen Differenzierung nach den Persönlichkeiten mit den klassischen Strafzwecken der Sozialisation und Prävention. Die Strafjustiz kommt immer erst hinterher, um den angerichteten Schaden aufzuräumen, stellt sie ohne jede Resignation fest – und richtet den Blick nach vorn. Tatsachenfindung, Feststellung der Schuld eines Menschen und Sanktion bleiben als Aufgabe bestehen. Sowohl der Beweis der weitgehend technisch durchgeführten Tathandlungen als auch das Einfinden in die Mentalität der Täter lässt den interessierten Leser an den Einsatz sachkundiger ehrenamtlicher Richter in spezialisierten Spruchkörpern denken. Die gelungene Verbindung moderner Erscheinungen von Kriminalität mit der traditionellen – und gesetzeskonformen – Suche nach den Tatsachen und der Angemessenheit staatlicher Reaktion machen das Buch lesenswert. (hl)
Zitiervorschlag: Hasso Lieber, J. Ringwald: Digital. Kriminell. Menschlich. [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 3, S. 134.