BSG: Entschädigungszahlung ist kein Einkommen
Eine Entschädigungszahlung wegen überlanger Gerichtsverfahrensdauer ist kein Einkommen im Sinne des SGB II. Es ist daher nicht bei der Berechnung des ALG II zu berücksichtigen.
BSG, Urteil vom 11.11.2021 – B 14 AS 15/20 R
Sachverhalt: Die Klägerin und ihr Ehemann hatten in einer Rechtssache Klage auf Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer erhoben (§ 198 Abs. 2 GVG) und vom beklagten Land im Wege des Vergleichs eine Entschädigung von 3.000,00 € erhalten. Das Jobcenter wertete diese Zahlung als Einkommen und stornierte bewilligtes ALG II. Nach der Gutschrift des Entschädigungsbetrags wurde die Bewilligung für einige Monate vollständig aufgehoben. Durch die Zahlung sei die Hilfebedürftigkeit der Klägerin für sechs Monate entfallen. Das Jobcenter obsiegte beim LSG. Das BSG hob das Urteil auf, weil die Entschädigung nicht als Einkommen beim ALG II zu berücksichtigen sei. Die Zahlung diene als Wiedergutmachung der Folgen eines überlangen Verfahrens nicht demselben Zweck wie die Leistungen nach dem SGB II. Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, seien nur als Einkommen zu berücksichtigen, soweit die Leistungen nach dem SGB II im Einzelfall demselben Zweck dienen (§ 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II).
Anmerkung: Das Urteil hat für ehrenamtliche Richter Bedeutung hinsichtlich der Entschädigung für Zeitversäumnis, auf die diese Entscheidung entsprechend zutrifft. Es gibt jedoch Jobcenter, die die Entschädigungen für Aufwand in Abweichung von dieser Rechtsprechung auf das ALG II (jetzt Bürgergeld) anrechnen. Vereinzelt wird dies von erstinstanzlicher Rechtsprechung gebilligt, wie z. B. durch das SG Regensburg in der Entscheidung vom 24.3.2023 (S 6 AS 45/22). Betroffene ehrenamtliche Richter, die sich dagegen wenden, haben angesichts der höchstrichterlichen Rechtsprechung gute Erfolgsaussichten. (hl)
Link zum Volltext der Entscheidung
Zitiervorschlag: BSG: Entschädigungszahlung ist kein Einkommen, in: LAIKOS Journal Online 2 (2024) Ausg. 2, S. 76.