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Verfassungstreue ehrenamtlicher Richter

Von Hasso Lieber, Rechtsanwalt, PariJus gGmbH

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Nach §§ 44a und b DRiG „soll“ eine Person nicht zum ehrenamtlichen Richter berufen werden, wenn sie „gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen hat“ oder wegen früherer Stasi-Tätigkeit nicht zum ehrenamtlichen Richter geeignet ist. Die Norm soll nunmehr erweitert werden, dass auch nicht berufen werden darf, „wer keine Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt“.1 Damit wird – ausdrücklich – ein zwingender Ausschlussgrund vom Amt für Bewerber bei Zweifeln am Bestehen der Verfassungstreue geschaffen (sog. „Muss-Regelung“), womit über die jetzige „Soll“vorschrift in § 44a Abs. 1 DRiG hinausgegangen wird.

Werden die Gründe für die Verfassungsfeindlichkeit erst nach Amtsübernahme bekannt, wird das Abberufungsverfahren nach § 44b DRiG eingeleitet. Eine zwingende Abberufung soll jetzt auch dann erfolgen, wenn die Voraussetzungen des neuen § 44a Abs. 1 DRiG (Verletzung der Pflicht zur Verfassungstreue) erst nach der Berufung eintreten, d. h. wenn der bei der Wahl noch „unauffällige“ (künftige) ehrenamtliche Richter erst während der Amtszeit Anlass zu Zweifeln an der Verfassungstreue gibt. Das Wort „nachträglich“ soll durch die Wörter „wann immer diese eingetreten sind“ ersetzt werden. Das ist in Fortsetzung des § 44a DRiG konsequent und den Schöffen nicht unbekannt, weil § 52 Abs. 1 Nr. 1 GVG – sprachlich verständlicher – formuliert, dass ein Schöffe von der Schöffenliste zu streichen ist, wenn „seine Unfähigkeit zum Amt eines Schöffen eintritt oder bekannt wird“.

Dass Verfassungsfeinde (ob haupt-, neben- oder ehrenamtlich) am Richtertisch keinen Platz haben, ist die pure Selbstverständlichkeit und – wie das BVerfG festgestellt hat – auch geltendes Recht. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Recht und Gesetz gebunden. Nicht nur die Urteile müssen verfassungskonform sein, sondern auch die Urteilenden. Infolgedessen leisten alle an der Rechtsprechung Beteiligten den Amtseid auf das Grundgesetz und ggf. die Landesverfassung. Das Gesetz modifiziert zwar die Rechtslage. Die bestehende Möglichkeit, eine extremistische Person nicht zu wählen, wurde in einen Ausschlussgrund geändert. Bei der Schöffenwahl ist jeder Kommunalvertreter bei der Aufstellung der Vorschlagsliste frei in seiner Entscheidung und nicht gezwungen, bestimmte Personen, Gruppen, Fraktionen o. ä. zu berücksichtigen, sodass ein des Extremismus Verdächtiger einfach nicht gewählt wird. Kann man einen solchen nicht identifizieren, nutzt der beste Ausschlussgrund nichts. Schwierig ist die Identifizierung alltäglich faschistoid denkender Personen, die nach früheren Untersuchungen einen festen Stamm von ca. 15 % in der Bevölkerung ausmachen.

Konsequenz des Gesetzesvorschlags? Die Wahl eines Schöffen mit verfassungsfeindlicher Gesinnung ist fehlerhaft; das Urteil, an dem er mitgewirkt hat, kann mit der Revision gerügt werden. Beim Verstoß gegen eine „Soll“vorschrift ist lediglich das Gesetz nicht richtig angewandt worden (§ 337 StPO), sodass die darauf gestützte Revision nur begründet ist, wenn das Urteil auf diesem Fehler beruht. Ein entgegen der zwingenden „Muss“-Regel gewählter Schöffe ist vom Amt „kraft Gesetzes“ ausgeschlossen, sodass seine Mitwirkung gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters verstößt (absoluter Revisionsgrund nach § 338 Nr. 2 StPO). Das Urteil wird auf die Revision hin aufgehoben, auch wenn es ansonsten richtig sein mag. Ein letzter Triumph für den Verfassungsfeind.


Zitiervorschlag: Hasso Lieber, Verfassungstreue ehrenamtlicher Richter, in: LAIKOS Journal Online 1 (2023) Ausg. 2, S. 71.

  1. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes, BR-Drs. 371/23, Permalink zum Gesetzgebungsvorgang.[]

Über die Autoren

  • Hasso Lieber

    Geschäftsführender Gesellschafter PariJus gGmbH, Rechtsanwalt, Staatssekretär a. D., Generalsekretär European Network of Associations of Lay Judges, 1993–2017 Vorsitzender Bundesverband ehrenamtlicher Richterinnen und Richter e. V., 1989–2022, Heft 1 Redaktionsleitung „Richter ohne Robe“

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