G. Carofiglio: Zeit der Schuld
Gianrico Carofiglio: Zeit der Schuld. Ein Fall für Avvocato Guerrieri. Roman. Aus dem Italienischen von Verena von Koskull. München: Goldmann 2021. 297 S. ISBN 978-3-442-31619-9, € 20,00
Bei dem Roman handelt es sich um den 6. Band aus der Reihe um den italienischen Rechtsanwalt Guido Guerrieri (zu früheren Büchern des Autors siehe RohR 2006, S. 74; 2007, S. 84; 2008, S. 37; 2009, S. 86; 2014, S. 77). Ihn holt die Vergangenheit ein, als Lorenza, mit der er als Referendar eine kurze leidenschaftliche Beziehung hatte, ihn bittet, ihren wegen Mordes an dem Drogendealer Gaglione verurteilten Sohn Iacopo im Berufungsverfahren zu verteidigen. Der erste Strafverteidiger ist verstorben; für die Vorbereitung der Hauptverhandlung ist wenig Zeit. Lorenza zuliebe übernimmt er das Mandat, obwohl alle Indizien gegen Iacopo sprechen und der Sachverhalt eigentlich klar ist. Iacopo hatte am Tag der Ermordung Gaglione aufgesucht und sich zuvor heftig am Telefon mit ihm gestritten, dokumentiert durch eine Telefonüberwachung. Eine Zeugenaussage und Schmauchspuren an seiner Jacke belasten Iacopo schwer. Im Team mit seiner Anwaltskollegin Consuela sowie den Privatdetektiven Annapaola, einer früheren Gerichtsreporterin, und Carmelo, einem Ex-Polizisten, sucht Guerrieri nach Beweisen, denen in der ersten Instanz nicht nachgegangen wurde, da sich die Ermittlungen von Anfang an allein auf Iacopo konzentriert hatten. Der Leser bekommt einen Einblick in den Alltag eines Anwalts und seine Aufgabe im Strafverfahren, die Guerrieri als „Akt des Hinterfragens“ bezeichnet: „den anderen und vor allem sich selbst Fragen stellen und Wahrheiten und scheinbar unumstößliche Regeln in Zweifel ziehen“ wie ein „intellektuelles und moralisches Muskeltraining“ (S. 127). Auch eine vorbestrafte „Mistkröte“ habe ein Recht auf eine anständige Verteidigung. In dem Buch geht es um Schuld, Unschuld, Recht, Gerechtigkeit und Ethik und wie diese Werte in Einklang gebracht werden können. Ein angenehm unaufgeregter Krimi der eher leisen Töne, unterhaltsam und informativ, dabei spannend, ohne übertriebene Action. (us)
Zitiervorschlag: Ursula Sens, G. Carofiglio: Zeit der Schuld [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 1 (2023) Ausg. 1, S. 48.