T. Schleif: Richter morden besser
Thorsten Schleif: Richter morden besser. München: Heyne 2022. 303 S. ISBN 978-3-453-42616-0, € 11,00
Der Grundgedanke des Romans ist dem „Katzenkönig-Fall“ entlehnt, in erster Instanz vor dem LG Bochum verhandelt und 1988 Gegenstand eines grundlegenden Urteils des BGH. Es geht um den sog. Täter hinter dem Täter. Dieser bestimmt den ausführenden Täter durch psychologische Manipulation zur Tat, ohne selbst nach außen in Erscheinung zu treten. In der Romanhandlung ist der Ermittlungsrichter Siggi Bruckmann (alter ego des Autors) frustriert über die Ohnmacht der Justiz gegenüber der organisierten Kriminalität. Als er befürchten muss, dass er selbst und seine Familie ins Fadenkreuz der Banden geraten, spielt er – quasi vom Schreibtisch aus – die Bandenmitglieder gegeneinander aus. Mit einem wackeligen Haftbefehl bringt er ein Mitglied in die U-Haft derselben JVA, in der ein anderes führendes Bandenmitglied in Strafhaft sitzt. Diesem hat er suggeriert, vom U-Häftling ans Messer geliefert worden zu sein. Der gewünschte Erfolg tritt umgehend ein. En passant vermasselt er die Aufstiegschancen seiner karrieregeilen Vizedirektorin.
Zu diesem titelprägenden Geschehen kommt es erst im zweiten Teil des Romans. Im ersten Teil werden erzählerisch die Sorgen des Autors (Amtsrichter in Dinslaken) aufgearbeitet, die er schon in Sachbüchern (vgl. die Rezension in RohR 2020, S. 75 f.) ausgebreitet hat und manches Merkwürdige offenbaren. Siggi B. will als Ermittlungsrichter für mehr Verlobungen verantwortlich gewesen sein als eine Dating-Agentur. Maßlos übertrieben. Zum einen wird das Verlöbnis als Zeugnisverweigerungsrecht in der Regel erst in der Hauptverhandlung behauptet; zum anderen müsste Siggi wissen, dass bei Zweifeln das Verlöbnis glaubhaft zu machen ist, ggf. durch eidliche Versicherung (§ 56 StPO). Oder: Der „übliche Weg“ einer vollstreckbaren Strafe, die Siggi verhängt, führt nach seiner Schilderung regelmäßig „bei Richter am LG Brun“ zu einer Strafaussetzung zur Bewährung. Es darf vermutet werden, dass sowohl bei dem für Siggis als auch des Autors Urteile die zuständige Kleine Strafkammer mit zwei Schöffen besetzt ist. Ob diese sich stets der Sicht eines weltfremden (oder unentschlossenen) Vorsitzenden beugen, darf bezweifelt werden. Und dass Landgerichtspräsidenten fallbezogene Weisungen des Justizministers entgegennehmen und für die Umsetzung durch die Spruchrichter sorgen, dürfte – bei aller Kritik an der Justizverwaltung – auch eher einer Aversion als einer Erfahrung des Autors entspringen. Manche Passagen lassen Schlüsse auf die Figur des Amtsrichters zu. Ein Sitzungstag des Strafrichters mit einer einzigen Verhandlung über einen Taschendiebstahl – die „Überlastung“ ist mit Händen zu greifen. Schade – die Idee, seltsame Konstruktionen des Strafrechts mit den Mitteln des Romans anschaulich am spannenden Fall darzustellen, wird durch den Wunsch, zugleich mit dem System und den Kollegen abzurechnen, stark beeinträchtigt. (hl)
Zitiervorschlag: Hasso Lieber, T. Schleif: Richter morden besser [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 1 (2023) Ausg. 1, S. 47-48.