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N. Ferguson: Doom

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Niall Ferguson: Doom. Die großen Katastrophen der Vergangenheit und einige Lehren für die Zukunft. München: Deutsche Verlags-Anstalt 2021. 592 S. ISBN 978-3-421-04885-1, € 28,00

Sind Katastrophen vorhersehbar? Kann man sie vermeiden? Gibt es eine Unterscheidung zwischen natürlichen und von Menschen gemachten Katastrophen? Oder ist der Mensch gar – wie neulich behauptet wurde – aufgrund seiner evolutionsbedingten genetischen Veranlagung gar nicht in der Lage, über zwei Generationen hinauszublicken und Vorsorge gegen Katastrophen zu treffen? Dazu ist zunächst eine Definition der Katastrophe nötig, die allgemein als eine länger andauernde, meist großräumige Schadenslage beschrieben wird, deren Entstehung und Auswirkungen mit normalerweise vorgehaltenen Abwehrmitteln nicht bewältigt werden können.

Katastrophen, so die Autoren, sind auf ihre Ursachen zu untersuchen und danach zu beurteilen. Dabei ist die Frage nach der natürlichen und der von Menschen gemachten Katastrophe in ihrer Abgrenzung fließend. Ein Vulkanausbruch in einer menschenleeren Gegend wird per se kaum als Bedrohung empfunden. Wird durch den Ascheausstoß der Flugverkehr zentraler Verbindungen zwischen den Kontinenten ausgeschaltet und Personen- wie Warenverkehr verhindert, oder werden durch Lavaströme ganze Städte zerstört und Menschen obdachlos, sind wir geneigt, dies als Katastrophe zu bezeichnen. Dieser Kausalzusammenhang wird von den Autoren in den Blick genommen. Die Pest wütete in den mittelalterlichen Städten Italiens in unterschiedlicher Weise, weil in der einen Stadt aus Erfahrung oder Instinkt die Wirksamkeit von Quarantäne und Abstand erkannt und trotz fehlender medizinischer Kenntnisse ein Erfolg erzielt wurde, in der anderen eben nicht. Eine Katastrophe muss man auch als solche erkennen. Das regte schon 1759 Adam Smith an zu schreiben, wenn das gesamte chinesische Reich von einem Erdbeben verschlungen würde, würden wir trauern, vielleicht Überlegungen über die Auswirkungen auf den Handel anstellen, aber bald wieder unseren täglichen Geschäften nachgehen. Ähnliches passiert aktuell. Der völkerrechtswidrige Überfall der Ukraine berührt uns zutiefst, weil wir mit den betroffenen Menschen in unmittelbaren Kontakt kommen. Das gleiche Ereignis in afrikanischen oder asiatischen Regionen berührt uns weit weniger, ist uns vielleicht eine Spende wert. Die Wahrnehmung einer Katastrophe nimmt exponentiell mit der Distanz ab.

Einige katastrophale Bedingungen lassen sich beeinflussen, weil ihr Ausbruch auf Fehlern von Managern oder autoritären Strukturen beruht, die zu präventiven Maßnahmen nicht willens oder in der Lage sind. Manche Konsequenzen werden ambivalent sein, wenn etwa auf der politisch rechten Seite der Sinn von Grenzen gegen Globalisierung und Flucht von Menschen mobilisiert wird. Insoweit haben Katastrophen auch eine politische Dimension, weil sie zumindest in ihren Auswirkungen auf unseren individuellen und kollektiven Entscheidungen beruhen. (hl)

Zitiervorschlag: Hasso Lieber, N. Ferguson: Doom [Rezension], in: LAIKOS Journal Online 1 (2023) Ausg. 1, S. 44-45.

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